Medikamente in der Schwangerschaft

Medikamente als Feindbild

Ob wochenlange Übelkeit, Sodbrennen oder schneidendes Halsweh: Alles ist mit Gleichmut zu erdulden, will man einmal eine gute Mutter werden. Und wagt es so ein egoistisches Geschöpf aus welchen Gründen auch immer, in aller Öffentlichkeit trotz sichtbar gerundetem Babybauch ein Aspirin einzuwerfen, ist ihr die kollektive Missbilligung gewiss. Wer das Ertragen von rasenden Kopfschmerzen als gelungene Geburtsvorbereitung sieht – bitte nur zu.
Für alle weniger toughen Zeitgenossinnen hält die moderne Medizin auch Medikamente für andere Umstände bereit. Das hat sich allerdings teilweise noch nicht einmal in der Ärzteschaft wirklich herumgesprochen. Wie sonst wäre es möglich, dass Gynäkologen vereinzelt ihren Patientinnen noch zum Abstillen raten, nur weil diese Antibiotika gegen eine Brustentzündung einnehmen müssen?

Pillen in der Frühschwangerschaft

Unnötige Sorgen wegen einer etwaigen Missbildung ihres Kindes machen sich auch viele werdende Mütter, die in der Phase der Frühschwangerschaft, als sie noch nichts von ihren besonderen Umständen geahnt haben, Medikamente eingenommen haben.
Diese Gruppe kann Dr. Singer, Oberarzt an der Kinderabteilung des LKH Mödling, beruhigen: Einmalgaben selbst von potenziell gefährlichen Substanzen hinterlassen keinen Schaden.

Der folgende von Dr. Singer zusammengestellte Überblick bezüglich der wichtigsten Medikamente in Schwangerschaft und Stillperiode sollte aber nicht als fröhliche Anleitung zur kreativen Selbstbehandlung verstanden werden, sondern nur als grundsätzliche Informationsquelle dienen um vielleicht unnötige Ängste auszuschalten.

Gerade in dieser heiklen Lebensphase ist es auf jeden Fall ratsam lieber einmal zu oft als zu wenig ärztlichen Rat einzuholen, da ein verantwortungsvoller Umgang mit der eigenen Gesundheit auch für die Entwicklung des Kind wesentlich ist.

ABC der Medikamente: Teil A bis D

Allergien:

Antihistamine zur Behandlung von Allergien dürfen in gewohnter Dosierung eingenommen werden. Schließlich stellt es für das Kind auch keinen Benefit dar, wenn seine Mutter unter Erstickungsanfällen leidet.

Antibiotika:

Hier teilt sich die Spreu vom Weizen: Bestimmte Antibiotika aus der Gruppe der Penicilline oder Erythromycine sind auch in besonderen Umständen bestens geeignet. Schließlich werden die Säuglinge im Krankeitsfall ja selbst mit diesen Mitteln behandelt. Sulfonamide oder Tetrazykline (die Medikamentengruppe steht im Beipacktext) sind während dieser Zeit kontraindiziert.

Bluthochdruck:

Bluthochdruck gehört vor allem in der Schwangerschaft auf jeden Fall behandelt, da es sonst zu Komplikationen kommen kann. Es gibt für diese besonderen Umstände spezielle Medikamente aus der Gruppe der Betablocker.

Diabetes:

Während der Schwangerschaft sind Insulinspritzen zuckersenkenden Tabletten auf jeden Fall vorzuziehen, da letztere kaum in der Lage sind den Zuckerhaushalt des Ungeborenen zu regulieren.

ABC der Medkikamente: Teil H bis N

Herpesinfektionen:

Fieberblasen am Mund können problemlos lokal mit einer Salbe behandelt werden. Erkrankt die Mutter direkt vor der Geburt an Feuchtblattern, muss das Baby behandelt werden, da es sich sonst bei der Entbindung infizieren könnte.

Impfungen:

Prinzipiell können alle Impfungen mit Tot-Impfstoffen auch in der Schwangerschaft und Stillperiode jederzeit durchgeführt werden. Das beinhaltet alle gängigen Impfungen mit einer einzigen Ausnahme: die Polio-Schluckimpfung. Kinderlähmung-Auffrischungen sollten nicht während der Schwangerschaft durchgeführt werden und in der Stillperiode erst, wenn der Säugling schon selbst geimpft ist.

Wer vor der Niederkunft noch schnell eine Fernreise gebucht hat, steht eventuell vor einem Problem: Die in manchen Ländern notwendige Malariaprophylaxe ist kein echter Gewinn für das Baby. Manche Medikamente dürfen kurzfristig eingenommen werden, eine länger währende Verabreichung ist jedoch nicht empfehlenswert, da sie das Zentralnervensystem angreifen können. Also lieber in Europa Urlaub machen!

Narkose:

Während der Schwangerschaft können alle gängigen Narkosen eingesetzt werden. Stillende Mütter können ihr Kind anlegen, sobald sie voll wach sind. Die Milch muss nicht abgepumpt und weggeschüttet werden.

ABC der Medikamente: Teil P bis R

Pille:

Werdende Mütter, die noch nichts von ihrem Glück ahnend, fleißig weiter die Pille genommen haben, dürfen beruhigt sein. Macht nämlich nichts! Auch stillende Frauen dürfen prinzipiell mit der Pille verhüten, allerdings muss ein Präparat gewählt werden, das sich nicht negativ auf die Milchproduktion auswirkt.

Pilzinfektionen:

Lokale Behandlungsformen, die kein Cortison enthalten, sind unbedenklich. Sollte eine längere, systemische Therapie mit Tabletten notwendig sein (z.B.: bei Nagelpilz), kommt der Wahl des Medikamentes gesteigerte Bedeutung zu. Leider gibt es zur Wirkung dieser Antimykotika auf das ungeborene bzw. gestillte Kind kaum Untersuchungen. Allerdings existieren einige Tabletten, die in dem Ruf stehen ungefährlich zu sein.

Psychopharmaka:

Bei ca. 10% der Babys treten Nebenwirkungen auf, d.h. sie werden in den meisten Fällen schläfrig, was sich negativ auf die Trinkgewohnheiten auswirkt. Für die Schwangerschaft und Stillperiode gibt es eine spezielle Gruppe von Antidepressiva, die vor allem bei der echten Wochenbettdepression zum Einsatz gelangen.

Röntgen:

Eh klar, dass man das lange aufgeschobene Wirbelsäulenröntgen nicht unbedingt nachholt, wenn man gerade ein Kind erwartet. Aber: Was notwendig ist – ist notwendig! Das Kieferröntgen beim Zahnarzt oder die radiologische Untersuchung eines gebrochenen Armes schadet dem Ungeborenen gar nicht. Haarig wird es beim Bauchröntgen, speziell in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft, in denen die Organe des Kindes angelegt werden. Mit modernsten, belastungsarmen Geräten ist auch das kein Mirakel, allerdings sollte die Mutter in spe hier auf eine Überweisung in eine Spezialklinik bestehen. Vorbehalt besteht gegenüber jodhältigen Kontrastmitteln, also sicherheitshalber nachfragen.

Schmerz- und Grippemittel

Die Frage nach schmerzstillenden und fiebersenkenden Medikamenten ist während der Wintermonate bei Schwangeren und Stillenden ein absoluter Dauerbrenner. Auf jeden Fall ist bei Verkühlungen einmal Schonung und Verwöhntwerden angesagt. Wenn das allein nichts nützt und der Kopf unbarmherzig brummt, kann man getrost in den Medikamentenschrank fassen. Bei Schmerzen oder Fieber sind Tabletten mit dem Wirkstoff Paracetamol erste Wahl. In Apotheken ist diese Substanz z.B. unter dem Namen “Mexalen” im Handel.
Auch das Medikament “Aspirin” darf in Schwangerschaft und Stillperiode guten Gewissens genommen werden. “Aspirin” allerdings nur bis 1500 mg pro Tag, das entspricht ca. drei Tabletten. Vorsicht ist bei werdenden Müttern mit hohem Fieber geboten: Das ist keinesfalls die richtige Situation um Tapferkeit vor dem Feind zu demonstrieren, da die hohe Körpertemperatur den Kreislauf extrem belastet und somit dem Ungeborenen echten Schaden zufügen kann.

Abschwellende Nasentropfen und Lutschtabletten dürfen auch in besonderen Umständen verwendet werden, bei Hustensäften sollte allerdings der Arzt entscheiden, denn codeinhältige Säfte sind nur in wirklich sehr hartnäckigen Fällen angebracht.

Realistisch bleiben

Also, großes Heldentum ist heute auf dem Weg zur Mutterschaft – Gott sei Dank – nicht mehr gefragt. Selbst die Geburt kann man mittlerweile dank der pharmazeutischen Industrie aus der schmerzfreien Perspektive erleben.
Aber vielleicht sollten wir das nicht herumerzählen – schon gar nicht dem werdenden oder frisch gebackenen Papa. Sonst kommt er womöglich noch auf die Idee, dass wir uns ein bisschen Bedauern oder Verwöhntwerden gar nicht verdienen. Und das wäre dem Heilungsprozess auf jeden Fall abträglich.

Hilfreiche Links

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie unter folgenden Links:

Links auf FRATZ.AT:

Fragen an den Kinderarzt

Weitere Links:

medwell24.at

Text: Jürgen Steiner
Foto: greenland/Shutterstock.com

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