(Keine) Angst vor der Geburt

“Ich kann deine Ängste voll verstehen!” schreibt Melanie zurück. “Bei mir ist es in ein paar Wochen soweit. Je näher der Geburtstermin rückt, desto verrückter macht man sich, glaube ich. Ich kann kaum noch schlafen, träume von der Entbindung. Ich träume aber auch davon, unser Kind endlich in den Armen zu halten. Diese Gedanken muntern einen wieder etwas auf. Es ist eben diese Ungewissheit, weil man nicht weiß was auf einen zukommt…”

Mag. Karin Martin

Angst ist natürlich

Unsicherheit vor der Geburt ist ganz normal und natürlich. Bei aller Freude auf ihr Kind durchleidet wohl jede schwangere Frau auch Ängste: Werde ich mich in der Extremsituation der Geburt richtig verhalten? Werde ich die Schmerzen ertragen? Welche Unterstützung werde ich von meinem Partner bekommen? Wird mit dem Kind alles in Ordnung sein? Wie werde ich mich als Mutter fühlen?
Keine Frau muss sich dieser Gedanken schämen. Hebamme Regina Zivkovits: “Wichtig ist, seine Ängste auszusprechen. Ein ausführliches Beratungsgespräch mit einer Hebamme kann oftmals entlasten und offene Fragen klären.”

Am besten können sich die meisten Frauen dem unfassbaren Ereignis der Geburt annähern, indem sie:

  • sich möglichst genau über den Geburtsvorgang informieren;
  • einen Geburtsvorbereitungskurs belegen, wo sie auch lernen sich zu entspannen und richtig zu atmen;
  • sich den Ort der Geburt – z.B. im Rahmen einer Kreißsaalführung – während der Schwangerschaft ansehen;
  • einen gut geführten Mutter-Kind-Pass mit sich tragen, der ihnen signalisiert: “Alles im grünen Bereich”.

Tun Sie sich etwas Gutes!

Wenn Frauen besonders schlimme Angst vor der Geburt haben, hängt das oft mit der Familiengeschichte zusammen. Hebamme Zsivkovits: “Wenn z.B. die Mutter sehr schwere Geburten hatte, und das immer wieder en passant erzählt, sind die übertriebenen Ängste nur verständlich. Wichtig ist, dass die Frau sich bewusst wird, woher sie die Hauptinformation über die Geburt hat. Sie sollte wissen, dass sie – nur weil ihre Mutter schwer geboren hat – nicht auch schwer gebären muss.”

Auch wenn alles im Rahmen ist: Zwischen der 30. und 35. Schwangerschaftswoche sind viele Frauen sehr dünnhäutig und genervt. Sie wünschen sich sehnlichst, es möge alles vorbei sein. Gleichzeitig fürchten sie sich vor dem Ende der Schwangerschaft. Anstatt sich zu Verkriechen, sollten Sie das Gegenteil tun: Warum nicht ein Termin beim Friseur?

Oder ein schon viel zu lange hinausgeschobener Treff mit einer Freundin? Gehen Sie Schwimmen, vielen hochschwangeren Frauen tut es ungemein gut, ihr Gewicht im Wasser los zu sein.

Lassen Sie sich vom Leistungsdruck der Gesellschaft nicht beeinflussen. Es wird heute allzu oft erwartet, dass eine Frau ganz nebenbei schwanger ist. Für die Entbindung braucht es Kraft.

Positive Einstellung

Ganz besonders wichtig ist die generelle Einstellung zur Geburt. Auch wenn der Geburtsschmerz groß ist, sollte man ihn nicht mit Horrorszenarien gleichsetzen. Im Gebären liegt eine unglaubliche Kraft. Und diese in sich selbst zu entdecken, kann eine sehr positive Erfahrung sein. Halten Sie sich vor Augen, dass jede Wehe das Baby voranbringen wird. Tröstlich kann auch sein, dass der Schmerz zeitlich begrenzt ist. Er wird vergessen sein, wenn Sie ihr Baby in den Armen halten.

Wer aktiv wird, z. B. die gelernten Atmungsübungen während der Wehen einsetzt, kann der Angst gegensteuern. Am Ende steht dann das gute Gefühl: Ich bin nicht ausgeliefert. Ich habe Möglichkeiten zu reagieren. Und ich kann Hilfe bekommen von den Menschen, die mich durch die Geburt begleiten. Hier kommt der Hebamme eine wichtige Rolle zu. Die meisten Frauen wünschen sich auch, dass der Partner oder eine andere vertraute Person an ihrer Seite sind.

Rettungsanker

Für Viktoria war wenige Tage vor der Entbindung in Phasen starker Anspannung immer ein warmes Bad die Erlösung. Als sie in den Kreißsaal kam, bot ihr die Hebamme auch an, noch ein Bad zu nehmen. “Es war wundervoll. Ich spürte völlig entspannt noch einmal, wie sich das Baby in mir bewegte”, schildert sie. Wieder an Land gab ihr die Hebamme noch ein homöopathisches Mittel. Dann gingen die Wehen ungeheuer kraftvoll los. Vollgetankt mit Energie, kam Viktoria aber recht gut damit klar.

Auch Schreien kann während der Geburt helfen, Spannungen abzubauen. Niemand braucht sich deshalb zu schämen. Als wahre Rettungsanker empfinden manche Frauen die Möglichkeit, in einer Schmerzsituation Linderung zu verlangen. Es gibt heute eine Reihe von Schmerzmittel: angefangen bei homöopathischen Globuli und Akupunktur, über Psychopharmaka und Schmerzdämpfer, bis hin zur lokalen Betäubung (Epiduralanästhesie).

Traumatische Erfahrungen aufarbeiten

Michaelas erste Geburt lief von Seiten der betreuenden Personen nicht so toll. Die junge Mutter und ihr Partner wünschen sich ein zweites Kind. Zum Schwangerwerden gehört für Michaela aber auch Mut zur zweiten Geburt. Und den hat sie gerade noch nicht, sagt sie. “Ich bin einfach mit den Schmerzen und der Angst nicht zurecht gekommen….”

Hebamme Regina Zsivkovits rät traumatischen Erfahrungen vor einer neuerlichen Geburt jedenfalls aufzuarbeiten. “Als Hebamme kann ich mir die Geschichte anhören. Ich kann aus meinem Erfahrungsschatz heraus der Frau beipflichten, wenn während der Geburt etwas anders laufen hätte müssen. Ich kann ihr Erklärungen geben, woraus die Situation vielleicht resultiert ist. Und ich kann ihr Wege aufzeigen, worauf sie selbst bei der Vorbereitung auf eine zweite Geburt achten kann. Manche Frau entscheidet sich z. B. dafür, eine persönliche Hebamme ins Spital mitzunehmen.”

Bewährte Hilfen

Atmung – Wenn man sich bei einem Schmerz verkrampft und die Luft anhält, tut er stärker weh. Sie können das an folgender Übung, am besten unter der kalten Dusche, ausprobieren: Statt zu quietschen atmen Sie tief aus – Sie werden spüren, dass der Kälteschock weniger schlimm ist.

Dammvorbereitung – Eine gezielte Dammmassage kann das Scheidengewebe dehnbar und elastisch machen und damit auf die Erweiterung bei der Geburt vorbereiten. Auch Beckenbodentraining hilft.

Homöopathische Mittel können im Vorfeld der Geburt eingesetzt werden, um Spannungen und Ängste abzubauen. Fragen Sie Ihre Hebamme oder Ihren Arzt! Die Aromatherapie arbeitet mit ätherischen Ölen.

Akupunktur – gezielt in den letzten Wochen der Schwangerschaft eingesetzt – verkürzt die Geburtsdauer. In manchen Spitälern werden Akupunkturnadeln auch bei der Gebärenden eingesetzt, um den “Angst-Verspannungs-Schmerz-Kreislauf” zu unterbrechen.

Hypnose – kann helfen den Geburtsschmerz nicht mehr wahrzunehmen. Allerdings erfordert das viel Übung. Darum am besten mindestens zehn Wochen vor dem Geburtstermin Kontakt zu einem/einer erfahrenen Hypnosetherapeuten/in aufnehmen.

Foto: Monkey Business Images/Shutterstock.com


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