Frühchen an die Brust

Stillberatung

Schwer verunsichert entschlossen sich immer weniger Frauen ihren Nachwuchs zu stillen. Eine Mutter, die ihrem Kind die Brust gibt, war eine bestenfalls milde belächelte Ausnahmeerscheinung geworden. Bis sich in den achtziger Jahren langsam Widerstand in Form von Stillberaterinnen und couragierte Müttern formierte, die der Muttermilch wieder ihren Stellenwert als ideale Säuglingsnahrung verschafften.
Heute herrscht auch unter Kinderärzten das einstimmige Credo, dass die mütterlichen Milchflüsse auf jeden Fall synthetisch hergestellter Babynahrung vorzuziehen sind. Schließlich ist Muttermilch exakt auf die Bedürfnisse des neuen Erdenbürgers zugeschnitten. Sie ist besonders leicht verdaulich, enthält Immunglobuline, lebende Zellen und antiinfektiöse Faktoren, die die Zwerge vor Erkrankungen der Atemwege, des Magen-Darm-Traktes und der Harnwege schützen.

m ihre positive Wirkung voll entfalten zu können, sollte Muttermilch direkt an der Quelle genossen werden. Denn durch den Vorgang des Abpumpens geht bereits ein Gutteil der wertvollen Antikörper verloren. Ganz abgesehen davon, dass der Hautkontakt beim Stillen für Babys von unschätzbarem emotionalen Wert ist. So weit so gut.

Doch auch in heutigen Zeiten gibt es noch Gruppen von Babys, die von vornherein vom fröhlichen Saugen ausgeschlossen werden. So galt unter Kinderärzten lange die weit verbreitete Meinung, dass man Kinder mit Down-Syndrom nicht stillen kann. Oder dass Saugen an der Brust für Frühgeborene zu anstrengend sei. Bei Babys mit Missbildungen im Gaumen- und Rachenraum wurde Müttern präventiv von Stillversuchen abgeraten.

Doch auch hier regt sich langsam Widerstand. So ist es zwar nicht so einfach behinderte oder früh geborene Kinder “back to nature” zu bringen, aber Stillberaterinnen haben hier einige Tipps und Tricks auf Lager um den Kleinen Mutters Busen (wieder) schmackhaft zu machen. Da zu diesem relativ neuen Thema kaum allgemein zugängliche Literatur existiert, hat die international renommierte Stillberaterin Brigitte Benkert ihre Erfahrungen aus den Würzburger Kinderkliniken in einem Buch zusammengefasst.

“Das besondere Stillbuch” erscheint im Verlag Ravensburger und richtet sich an Eltern, deren Kind zu früh geboren wurde oder an einer Krankheit leidet. Neben allgemeinen Informationen zum Thema stillen gibt es jede Menge Spezialtipps für die verschiedene Problemfälle. Sehr ausführlich wird auf die speziellen Bedürfnisse von frühgeborenen Babys, Mehrlingen sowie Kindern mit Down-Syndrom, Herzschwäche oder Gaumenspalten eingegangen.

Am Anfang war die Pumpe

Man kommt sich zwar eher wie eine Kuh im Stall denn wie eine frischgebackene Mutter vor, doch es hilft nichts. Wenn das Baby noch nicht in der Verfassung ist die Milchproduktion durch kräftiges Saugen anzukurbeln, muss man mit der Pumpe nachhelfen. Brigitte Benkert empfiehlt dazu anfangs nur wenige Minuten pro Seite zu pumpen, von Pumpsitzung zu Pumpsitzung die Zeit zu steigern.
Eine Gesamtpumpzeit von mindestes 180 Minuten pro Tag ist anstrebenswert. Dabei sollten als Ergebnis der Bemühung zwischen 500 ml und 700 ml Muttermilch in den ersten 14 Tagen gebildet werden. Um das Abpumpen nicht mühsamer als notwendig zu gestalten gibt es eine Checkliste, was eine gute Pumpe bieten sollte:

Hat die Pumpe eine Intervallschaltung und ist die Pumpstärke regulierbar?
Kann der Saugrhythmus verändert werden?
Besteht die Möglichkeit den Ansaugtrichter je nach Brustgröße zu vergrößern oder zu verkleinern?
Ist es bei diesem Pumptyp möglich ein Doppelabpumpset zu verwenden?
Obwohl Mütter von Frühgeborenen eine speziell auf die Bedürfnisse ihres Winzlings angepasste Milch bilden, kann es bei sehr kleinen Frühchen sinnvoll sein, diese nach ärztlicher Anordnung noch etwas anzureichern. Das kann auf verschiedene Arten erfolgen: Entweder es werden Eiweiß, Fette, Vitamine und Spurenelemente zugeführt oder man lässt die abgepumpte Muttermilch im Kühlschrank etwas aufrahmen.

Dann kann man die fetthaltigere Milch oben abschöpfen und dem Zwerg auf diese Art eine extra Portion Kalorien zukommen lassen. Den gleichen Effekt erreicht man, wenn man die Brust anpumpt und das Baby erst anlegt, wenn die gehaltvollere Hintermilch fließt. Um Muttermilch allererster Güte zu produzieren, empfiehlt es sich, auf eine ausgewogene Ernährung, möglichst aus kontrolliert biologischem Anbau zu achten.

Ist die Ressource Muttermilch erst einmal gesichert, kann man sie dem eigentlichen Verwendungszweck zuführen. Hier erteilt Brigitte Benkert dem guten, alten Babyfläschchen allerdings eine glatte Absage. Durch das Nuckeln am Sauger kann das Baby in eine Art “Saugverwirrung” geraten und lässt sich dann nur noch schwer an die Brust gewöhnen.

Muss das Baby nicht mehr ausschließlich über die Magensonde ernährt werden, ist es besser mit dem Becher, der Pipette oder dem Löffel zu füttern. Klingt überraschend, soll aber bei Frühchen oder kranken Kindern besser als die Fläschchenfütterung funktionieren. Die Winzlinge tun sich nämlich mit der Koordination von Saugen-Schlucken-Atmen leichter, wenn sie die Milch aus dem Becher oder vom Löffel lecken können als wenn sie sich mit einem Flaschensauger herumplagen müssen.

Das Brustnährungsset

Das Brustnährungsset ist keine Spezialcreme für ein pralles Dekolleté, wie Unwissende vielleicht vermuten würden, sondern ein perfider Trick um saugschwache Babys zum Saugen zu motivieren. Es besteht im Prinzip aus einer feinen Sonde die mit einem Becher abgepumpter Muttermilch verbunden ist.
Nun stellt man den Becher etwas erhöht neben sich hin, sodass, wenn das Baby saugt, die Milch von alleine aus dem Sondenende tropft. Dieses Sondenende mogelt man dem Baby nun über den Mundwinkel in den Mund während es versucht an der Brust zu saugen. Durch die Muttermilch, die in sein Mündchen tropft, fühlt sich der kleine Vampir in seinem Tun bestätigt und saugt weiter.

Das Brustnährungsset ist allerdings nur als Übergangslösung gedacht, bis die Kiefermuskulatur durch das regelmäßige Saugtraining kräftig genug ist, dass das Baby selbstständig von der Brust trinken kann. Dabei ist es sinnvoll das Kind durch spezielle Anlegetechniken weiter zu unterstützen. Brigitte Benkert beschreibt in ihrem Buch genau, wie man dem Baby das Saugen mit verschiedenen Griffen erleichtern kann.

Außer vielen hilfreichen Tipps finden sich im “Besonderen Stillbuch” aber auch zahlreiche Erlebnisberichte von Müttern mit kranken und frühgeborenen Babys und ihren Erfahrungen mit dem Stillen.

Aus diesen Geschichten geht deutlich hervor, dass der Weg zum positiven Stillerlebnis oft steinig und frustrierend ist, aber dass sich die Mühe letztendlich doch lohnt. Diese Erlebnisberichte können Eltern in einer ähnlichen Situation Mut machen, dass man es mit Geduld und professioneller Hilfe durchaus schaffen kann selbst vermeintlich hoffnungslose Fälle von den Vorzügen der mütterlichen Oberweite zu überzeugen.

Am Ende ist der Busen! Ziel der beschriebenen Bemühungen ist es, die Babys an die Quelle der Muttermilch zu bringen. Ob das Kind voll oder teilweise gestillt wird, steht dabei nicht so sehr im Vordergrund.

Ein positives “Stillleben” ist auf jeden Fall ein emotionaler Gewinn für Mutter und Kind. Außerdem entschädigt es vielleicht auch für einen schwierigen Start. Und wer jemals um vier in der Früh dem gleichmäßig rhythmischen Pff…Pff… der Milchpumpe gelauscht hat weiß, dass das nicht der Sinn der Sache sein kann.

Foto: OndroM – shutterstock.com

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