Courage, Mutter!

Am Anfang war das Kopfschütteln … ihres Arbeitgebers, von Bekannten und Freunden. 24 Stunden Mama zu sein hatte Sylvia Kuzmich nämlich nicht vorgesehen. Ein Konzept, das ihre Weiterarbeit während der Karenz von zu Hause aus vorsah, landete kurzerhand in der Schublade ihres Chefs. „Sie wissen ja gar nicht, wie es ist, Kinder zu haben, und was auf Sie zukommt“ – eine nicht eben aufbauende Reaktion.

Das Kopfschütteln über ihre Pläne schlug in Unverständnis um, als Sylvia Kuzmich wenige Wochen nach der Geburt ihres Kindes die sichere Anstellung in einem Großkonzern kündigte. Ab in die Selbstständigkeit, keine geregelten Sicherheiten und Arbeitszeiten mehr – und das als Mutter! Gut, Sylvia Kuzmich lebt in einer stabilen Beziehung. Aber in Zeiten wie diesen beruflich auf sich alleine gestellt sein? Ohne soziale Sicherheiten, ohne Anspruch auf Krankenstand oder Urlaubsgeld? Fällt man aus, gibt’s auch kein Geld. Wer soll dann die fälligen Rechnungen zahlen?
Ohne Zweifel: Der Schritt in die Selbstständigkeit bedeutet ein großes Wagnis. Auch wenn die innere Stabilität, die Geschäftsidee oder der finanzielle Background ausreichend erscheinen – die Hürden in die Selbstständigkeit sind hoch. Wer sich beruflich auf eigene Beine stellen möchte, sieht sich mit einer Menge Fragen und Unsicherheiten konfrontiert: Wo muss ich mich melden? Welche Finanzierungshilfen stehen zur Verfügung? Wann kommt das Finanzamt auf mich zu?
Dem übergeordnet stehen die Vorteile der Alternative Existenzgründung: Sie bietet die Möglichkeit, die Arbeit flexibel einzuteilen und Arbeitszeiten mit familiären Anforderungen in Einklang zu bringen. Damit das Unternehmen Selbstständigkeit langfristig von Erfolg gekrönt ist, gilt es einige wesentliche Dinge zu beachten (siehe fratz&co-Checkliste). Apropos Erfolg: Sylvia Kuzmich hat ihrer Courage vertraut und den Sprung in die Selbstständigkeit geschafft. Allen Kopfschüttlern zum Trotz ist sie heute erfolgreich Unternehmerin.

Checkliste für Selbstständige in spe

1. Der unbedingte Wille zum Erfolg
Sie sind bereit, zusätzlich zu Ihrem Job als Mutter noch mehr zu arbeiten und zunächst auf Freizeit und Urlaub zu verzichten? Das gelingt nur, wenn auch die Familie hinter dem Vorhaben steht!

2. Gefestigtes Selbstvertrauen
Nur wer an sich glaubt, setzt sich durch. Optimismus, Weitblick und der Glaube an die Zukunft sind Voraussetzungen dafür.

3. Erfolgversprechende Geschäftsidee
Ihre Geschäftsidee muss eigene Stärken wie Schwächen berücksichtigen und Markt ebenso wie die Konkurrenz im Auge behalten. Entscheidend ist die Orientierung an den Kundenwünschen.

4. Unternehmenskonzept
Das Unternehmenskonzept zeigt bereits im Vorfeld, wo Stärken und Schwächen der geplanten Existenzgründung liegen. Erfolgreiche Gründer passen die Planungen laufend den neuesten Entwicklungen an.

5. Finanz- und Liquiditätsplanung
Die Einnahmen und Ausgaben des Betriebes müssen sorgfältig geplant und permanent überwacht werden. Berücksichtigen Sie eine entsprechende Anlaufphase, so können Sie auf finanzielle Engpässe schnell reagieren.

6. Marketing
Sie kennen Ihren Markt, die Konkurrenz und die Wünsche Ihrer Kunden. Sie haben eine klare Preispolitik und wissen, wie Sie das Interesse Ihrer Kunden wecken können.

7. Erkennen von Marktlücken
Auch in traditionellen und gesättigten Märkten können Marktnischen aufgespürt werden. Freundlicher Umgang mit Kunden, gute Beratung und ein umfangreiches Serviceangebot sind letztlich auch Marktnischen – und Erfolgsfaktoren für viele Existenzgründer!

8. Kooperationen
Kunden wollen heute „alles aus einer Hand“ – doch kein Handwerker ist auf allen Gebieten Spitze. Hier bietet sich die Zusammenarbeit mit Betrieben an, die Ihr eigenes Leistungsangebot sinnvoll ergänzen. Das Zauberwort: „Networking“!

9. Personal
Ein Betrieb braucht motivierte Mitarbeiter. Regelmäßige Informationen an Ihre  Mitarbeiter, Delegieren von Aufgaben und eine an der Leistung orientierte Bezahlung sind daher Erfolgsfaktoren.

10. Beratung
Unternehmer im Handwerk müssen Alleskönner sein: Handwerker, Verkäufer, Einkäufer, Kalkulator, Werbeexperte, Personalchef. Arbeitsämter, Kammern und Fachverbände bieten hier ein umfangreiches Dienstleistungsangebot. Braucht es mehr Beratung, dann stehen auch zahlreiche freiberufliche Unternehmensberater zur Verfügung.

Mutter Courage

Sylvia Kuzmich, Selbstständig als Anbieterin von Bürodienstleistungen, 1 Kind

fratz&co: Nach mehreren Jahren der Selbstständigkeit – Ihr spontaner Gedanke dazu?

Sylvia Kuzmich: Das Richtige getan zu haben. Ohne Rückendeckung durch meine Familie wäre dieser Schritt allerdings schwerer gewesen. Geholfen hat mir auch, dass ich eine klare Vorstellung meiner Zukunft hatte. Und ganz wichtig war der Businessplan, den ich ständig angeglichen habe. Ich bekam sehr viel positives Feedback, aber auch Kritik. Davon ließ ich mich aber nicht entmutigen, denn Kritik spornt an. Zusätzlich hat mir geholfen, dass ich etliche Frauen interviewt habe. Aus diesen Gesprächen ergab sich ein Netzwerk von rund 20 Frauen, die mittlerweile auf Honorarnotenbasis für mein Unternehmen Professional Office Management arbeiten. Kontakte, ein Netzwerk und auf die Menschen zugehen: Das ist, glaube ich, mit die wichtigste Stütze beim Start in die Selbstständigkeit.

fratz&co: Stichwort Networking – wie funktioniert der Aufbau einer Struktur an Kontakten?

Sylvia Kuzmich: Wer sich selbstständig machen möchte, darf auf jeden Fall nicht vergessen, dass das ein Fulltime-Job ist: quasi rund um die Uhr. Networking war für mich der Schlüssel zum Erfolg. Man muss sich ins Gespräch bringen, auf Networking-Veranstaltungen gehen und sozusagen „sichtbar“ werden. Als Mutter eines Kleinkindes ist diese Herausforderung nicht ganz einfach – auch hier ist Rückhalt immens wichtig.

fratz&co: Die Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung birgt Vorteile?

Sylvia Kuzmich: Absolut. Andererseits haben Kinder einen beschränkten Rhythmus und verlangen einem volle Konzentration ab. Mitunter kann es also vorkommen, dass der Arbeitstag erst dann beginnt, wenn Ruhe eingekehrt ist. Aber wenn man die Vorzüge der großen Flexibilität erkannt hat, bringt man die Kraft zum Nacharbeiten auf …

fratz&co: Fernab des Netzwerkes braucht es doch sicherlich auch eine mentale Unterstützung bei etwaigen Fehlschlägen.

Sylvia Kuzmich: Absolut. Das war sogar eines der wichtigsten Elemente auf meinem Weg in die Selbstständigkeit. Ein starker Wille versetzt Berge. Eine Familie hingegen hilft doch sehr, den richtigen Weg zu erkennen, und macht den Schritt leichter. Zusätzlich habe ich aber 2005 noch eine Teilzeitbeschäftigung angenommen, um finanzielle Unabhängigkeit zu haben, und zwar konstant. Der Knackpunkt ist: Ich muss der Arbeit nicht mehr hinterherlaufen. Ich bin in der glücklichen Lage, diesen Status erreicht zu haben, und genieße somit meine beiden Arbeitsmittelpunkte.

fratz&co: Wie hat sich Ihr Schritt auf die Familie ausgewirkt?

Sylvia Kuzmich: Die Situation war nicht immer leicht, da ich auch immer wieder einen Babysitter gebraucht habe. Aber über all dem steht, dass ich in den ersten Jahren für mein Kind da sein konnte. Diese Zeit ist ungemein wichtig gewesen, und so manche Hürde wurde angesichts dieser Tatsache kleiner.

fratz&co: Wir danken für das Gespräch und wünschen weiterhin viel Erfolg

Die Expertin

Silvia Lechner-Stingl, AK Niederösterreich, Abteilung Arbeits- und Sozialrecht

fratz&co: Der Schritt in die Selbstständigkeit ist für viele Frauen auch ein Schritt in die Unabhängigkeit und zugleich Unsicherheit. Was muss man auf jeden Fall beachten?

Silvia Lechner-Stingl: Zunächst ist es wichtig, die Marktlage zu sondieren. Von einer Anstellung in die Selbstständigkeit zu gehen, ist sicherlich ein Wagnis. Viele suchen zunächst in einer Teilzeit-Anstellung die Grundsicherheit und tasten sich schrittweise an die Selbstständigkeit heran.

fratz&co: Verliert man als ehemalige Angestellte nach der Karenz Ansprüche aus den erworbenen Sozialleistungen?

Silvia Lechner-Stingl: Grundsätzlich bleiben alle erworbenen Ansprüche aus einer ehemaligen Anstellung bestehen. Das wären Pensionsjahre und sogar Arbeitslosenversicherungszeiten. Allerdings vergessen viele, dass in der Selbstständigkeit die so genannten Arbeitgeber-Lohnkosten dann selbst getragen werden müssen: Sozialversicherung, Steuer und dann später Vorauszahlungen sind unbedingt genau zu kalkulierende Posten.

fratz&co: Gibt es Fristen, die man auf jeden Fall einzuhalten hat, wenn man sich nach der Karenz in die Selbstständigkeit wagen möchte?

Silvia Lechner-Stingl: Wenn man während der Karenz aus einer Anstellung in die Selbstständigkeit wechseln möchte, dann muss dieser so genannte Mutterschaftsaustritt drei Monate vor Ablauf geklärt sein. Dies geschieht dann in Form einer Kündigung, bei der die jeweiligen Fristen unbedingt einzuhalten sind.

fratz&co: Gibt es Hürden, wenn man nach der Selbstständigkeit vielleicht wieder in ein Angestelltenverhältnis wechseln will?

Silvia Lechner-Stingl: Grundsätzlich nein, außer jene des Arbeitsmarktes. Aber wenn man schon Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung erworben hat, dann kann man die Ansprüche auch geltend machen.

Telefonische Beratung durch AK-ExpertInnen 
AK Wien: Tel. 01 501650
AK Niederösterreich: Tel. 01 588830
AK Oberösterreich: Tel. 050 96061

Links
www.arbeiterkammer.at
Hier findet man eine Reihe von Musterbriefen zum Thema Teilzeitarbeit.

www.waff.at
WAFF – Wiener ArbeitnehmerInnen Fonds

www.gruenderservice.at
Gründerservice der Wirtschaftskammern Österreich

www.ams.at
Arbeitsmarktservice

www.professionalofficemanagement.com
Sylvia Kuzmich, Professional Office Management

Haben auch Sie Probleme beim Wiedereinstieg nach der Babypause? Dann schicken Sie eine E-Mail an topimjob@fratz.at. Unsere Experten werden gemeinsam mit Ihnen nach einer Lösung suchen.


Foto: Kubko – shutterstock.com

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