Chemie mit der Wirkung weiblicher Hormone

Problemstoffe, die in den männlichen Hormonhaushalt eingreifen können, finden sich in Rasiercreme, Shampoo & Co. Auch die große Gruppe der Phthalate (Weichmacher) gehört dazu.

Die nachlassende Qualität und Quantität von Spermien hat die Mediziner vor ein Rätsel gestellt: Es galt das „Warum?“ zu klären. Um die seit rund zwei Dekaden zu beobachtende und dokumentierte Entwicklung zu stoppen, muss man den Ursachen auf den Grund gehen. Die Ermittler in Sachen nachlassender Zeugungskraft verfolgen eine vielversprechende Spur: Chemikalien. Das Problem dabei: Es gibt einfach viel zu viele, sodass derzeit nur an einer begrenzten Zahl geforscht wird. Und: Wenn im ersten Schritt eine Wirkung auf Tiere nachgewiesen werden kann, fehlt immer noch der Beleg für die Wirkung auf den Menschen.

Östrogene Eigenschaften

Es gibt einige Chemikalien, die in ihrer Struktur den menschlichen Hormonen ähneln. Diese rufen eine ähnliche Wirkung wie das Hormon selbst hervor, denn sie können an den entsprechenden Rezeptoren andocken und greifen so aktiv in den Hormonhaushalt ein. Eine östrogene Eigenschaft und damit potentiell negative Wirkung auf die Spermienproduktion haben Alkylphenole, Bisphenol A und Phthalate. Alkylphenole gehören mit zu den waschaktiven Substanzen und werden, so das deutsche Umweltbundesamt, in diversen Körper pflegemitteln eingesetzt.

Beispielweise zählen dazu Kosmetika, Rasiercreme und Shampoos. Bisphenol A ist weitverbreitet in der Konservenindustrie. Denn die weiße Beschichtung der Dosen und Kronkorken enthält in den meisten Fällen diesen problematischen Stoff. Nach Angaben des deutschen Umweltbundesamtes kann er auch in weißen Kunststoff-Füllungen von Zähnen oder in harten Kontaktlinsen verwendet worden sein. Auch die Elektroindustrie setzt Bisphenol A immer wieder ein.

Weichmacher

Phthalate begegnen uns täglich in allen möglichen Lebenssituationen. Denn die große Gruppe der Weichmacher macht aus hartem, sprödem Kunststoff ein weiches, biegsames und somit robustes Material. Typische Einsatzgebiete sind Verpackungen – auch von Lebensmitteln. Auch Verpackungen aus Papier und Pappe können dabei betroffen sein, den Phthalate sind auch Bestandteil vieler Farben und Lacke.

Weiters finden die Weichmacher Verwendung in dem weiten Feld der PVC- Produkte (Bodenbeläge, Schaumstoffe, Matratzen …). Daneben ist es auch gängige Methode, dass die Klebstoffe der Verpackungsindustrie mit Phthalaten versetzt sind. Alkylphenole, Bisphenol A und Phthalate können vom Organismus aufgenommen werden. Teilweise geschieht dies über Lebensmittel, die mit diesen Problemstoffen in Kontakt gekommen sind. Gerade fetthaltige Produkte wie Käse, Butter, Kartoffelchips et cetera nehmen besonders gut die Weichmacher auf.

Hormon-Blockierer

Neben den hormonähnlichen Chemikalien gibt es solche mit antihormoneller Wirkung: Diese Stoffe docken ebenfalls an Rezeptoren an, verdrängen aber dadurch die Hormone. Die können folglich nicht mehr wirken. Ein antiandrogener Stoff stört den männlichen Hormonhaushalt nachhaltig. Zur Gruppe dieser blockierenden Chemikalien gehört Linuron, ein Unkraut vernichtungsmittel. Es kann sich auf behandeltem Obst und Gemüse befinden oder über das Grund- ins Trinkwasser gelangen.

Aufgrund seiner Wirkung auf den menschlichen Organismus wird ein Verbot von Linuron immer wieder diskutiert, in Deutschland galt es sogar eine Zeitlang. Die dritte problematische Gruppe sind die Organochemikalien. Hierzu zählen unter anderem die hochgiftigen Stoffe PCB und Dioxin. Sie zählen zu den chlorierten Verbindungen. Typische Einsatzgebiete von PCB sind Fugen- und Dichtungsmasse sowie Elektrobauteile. Dioxine entstehen, wenn organische Chlorverbindungen verbrannt werden. Sie werden über die Luft verbreitet und finden sich inzwischen fast überall im Boden und Gewässern.

Pflanzen und die sie fressenden Tiere nehmen Dioxin auf. So gelangt Dioxin in den Lebensmittelkreislauf. Die chlorierten Chemikalien können bei der Produktion und Resorption sowie beim Transport von Hormonen eine Rolle spielen. Auf diese Weise können bestimmte Hormone im menschlichen Körper nicht mehr in ausreichendem Maße vorhanden sein. Der Hormonspiegel gerät so aus dem Gleichgewicht. Die Wissenschaft forscht zurzeit noch, welche tatsächlichen Auswirkungen die Stoffe auf die männliche Fruchtbarkeit haben. Die Studien kommen allerdings zu unterschiedlichen Ergebnissen, weshalb Experten vor einer verfrühten Beurteilung warnen.

Text: Stefan Trockel

Foto: Denis Komarov/Shutterstock.com

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