Stammzellen – das biologische Gold

Seit 1999 sind Stammzellen

zu den Hoffnungsträgern der medizinischen Forschung aufgestiegen. Ebenso lange sucht die Politik nach einem akzeptablen Fundament für die Stammzellenforschung – und hinkt der Wissenschaft oftmals hinterher. Plötzlich war das Wort „Stammzellen“ belastet: Jeder hat davon gehört oder gelesen, manches Urteil hat sich gebildet, ethische Richtlinien wurden erstellt. Allerdings: Die Meinungen über die Wichtigkeit der Stammzellenforschung sind Legion. Die Wissenschaft jedenfalls bezeichnet Stammzellen als „biologisches Gold“ – und entsprechend wichtig scheint auch die Forschung mit diesen „Bausteinen“ des Lebens zu sein …

Stammzellen als Lebensbausteine

Jeder Mensch verfügt über Milliarden Stammzellen, ohne die er nicht leben könnte. Das sind in ihrer Funktion noch nicht festgelegte Zellen im Körper, die sich zu Nerven-, Leber-, Herzmuskel- oder anderen spezialisierten Zellen hin entwickeln können. Sie kommen aber auch bei Verletzungen oder Krankheit zum Einsatz, um Schäden im Körper zu reparieren. Stammzellen sorgen beispielsweise dafür, dass sich unser Blut erneuert, die Haut nach einem Sonnenbrand regeneriert oder die Knochen nach einem Bruch wieder zusammenwachsen. Stammzellen sind also natürliche Alleskönner – und für ein Baby besonders wichtig. Ohne sie könnte es nicht heranwachsen. Prinzipiell unterscheidet man zwei Arten von Stammzellen, nämlich embryonale und adulte (ausgereifte). Im Wesentlichen sind dies undifferenzierte Zellen, die sich unbegrenzt vermehren und in die verschiedensten spezialisierten Zelltypen weiterentwickeln können, z. B. in Muskel-, Blut- oder Nervenzellen. Der Körper produziert seine Stammzellen ein Leben lang, vor allem im Knochenmark – schließlich gilt es ja laufend alternde Zellen zu erneuern.

Stammzellenmedizin

Die Stammzellenmedizin setzt auf die körpereigenen „Alleskönner“. Ihre Strategie: zerstörtes Gewebe neu und gesund entstehen zu lassen, beispielsweise Teile der Bauchspeicheldrüse bei Diabetes, Herzgewebe nach einem Herzinfarkt oder Arterien bei Gefäßverengungen. Daran wird mit Hochdruck geforscht. Zum Einsatz kommt die Stammzellenmedizin etwa, wenn das Knochenmark aufhört, Blutzellen zu produzieren, oder wenn das im Zuge einer Krebstherapie zerstörte Immunsystem wieder aufgebaut werden muss – Situationen, wo es mehr von den Stammzellen braucht. Doch woher nehmen?

Embryonale und adulte Stammzellen

Embryonale Stammzellen entstehen nach der Befruchtung einer Eizelle, ihre Gewinnung kann wiederum nur aus Embryonen erfolgen – und das wirft schwere ethische Fragen auf. Dazu kommt die Gefahr, dass embryonale Stammzellen Tumore auslösen können – sie vermehren und spezialisieren sich rasch, ohne zwischen Freund und Feind zu unterscheiden. Dieses Risiko besteht bei adulten Stammzellen nicht. Sie wissen bereits, wie sie sich im Körper verhalten müssen, und können bis ins hohe Alter unsere Gewebe und Organe erneuern. Aber auch sie unterliegen der Zellalterung. Altersbedingte Organ-, Gefäß- und Gewebeerkrankungen lassen sich daher nur mit jungen Stammzellen behandeln. Die adulten menschlichen Stammzellen haben gegenüber den embryonalen Stammzellen einige Vorteile: Zum einen sind sie wegen ihrer unkomplizierten Gewinnung ethisch nicht umstritten. Zum anderen könnte man sie für jeden Patienten individuell mit seinem eigenen Erbgut und hundertprozentig passenden Gewebemerkmalen herstellen. Dadurch werden sie vom Immunsystem nicht abgestoßen.

Stammzellen aus Nabelschnurblut

Jung, frei von Umweltschäden und am Höhepunkt ihrer Teilungsfähigkeit – das sind adulte Stammzellen aus Nabelschnurblut. Als körpereigene Stammzellen lassen sie sich im Rahmen von Zelltherapien zur Stärkung geschwächter Organe einsetzen und rufen keine Abstoßungsreaktionen hervor. Fremde Stammzellen sind dafür nicht geeignet … Konserviert man adulte Stammzellen aus Nabelschnurblut bei der Geburt, sind sie jederzeit sofort aus dem Depot abrufbar. Und sie können noch mehr, wie Univ. Prof. Dr. Karl-Heinz Preisegger von Cellavie erklärt: „Ein international zusammengesetztes Expertenkomitee hat kürzlich die Ansicht vertreten, dass eine einzige Injektion mit körpereigenen Stammzellen aus dem Nabelschnurblut eine nachhaltige Gefäßerneuerung bewirken könnte. Menschen mit einem eigenen Depot an jungen Stammzellen aus dem Nabelschnurblut könnten damit im Alter eine einmalige Chance haben.“ Es lebe die Turbospritze!

Wie könnte eine Stammzelltherapie aussehen?

Geht man davon aus, dass aus Stammzellen Gewebezellen werden, die zur Reparatur eines geschädigten Organs beitragen, stehen prinzipiell zwei Therapieansätze zur Verfügung: Entweder man differenziert die Gewebezellen bereits in der Kulturschale aus den Stammzellen und injiziert dann „fertige“ Zellen in das geschädigte Organ. Oder man injiziert die Stammzellen direkt in das geschädigte Areal und hofft darauf, dass diese sich im Gewebe umwandeln. Unterstützt werden könnte dieser als „Transdifferenzierung“ bezeichnete Prozess durch die gleichzeitige Zugabe entsprechender Signalmoleküle.

Ob so oder so: Kritisch ist in beiden Fällen jedenfalls die Integration dieser Zellen in den Gewebeverbund. Im Falle des durch einen Infarkt geschädigten Herzmuskels bedeutet das beispielsweise, dass die neuen Muskelzellen nicht nur schlagen, sondern ihre Aktivität auch noch mit den benachbarten Herzmuskelzellen synchronisieren müssen – und das setzt eine elektrische Verschaltung mit diesen voraus. Inwieweit sie spontan erfolgt, ist fraglich …

Es gibt noch einen anderen Weg: die Zuführung von Wachstumsfaktoren. Würde es gelingen, durch die Zugabe spezifischer Proteinfaktoren die Proliferation – also die Zellvermehrung der adulten Stammzellen vor Ort – im jeweiligen Organ anzuregen, so wäre vermutlich der Königsweg für eine Stammzelltherapie beschritten.

Welche Optionen prüft die Wissenschaft darüber hinaus?

Möglicherweise setzen adulte Stammzellen Komponenten frei, die eine Selbstheilung des geschädigten Organs unterstützen – in der Vergangenheit ließen sich vermehrt Hinweise auf eine solche „parakrine“ Wirkweise erkennen. Das hieße, dass adulte Stammzellen durch die Produktion von Wachstumsfaktoren die Teilungsaktivität der Gewebezellen anregen. Auf diese Weise könnten ausreichend neue Zellen für die Reparatur entstehen. Diskutiert wird auch die Vereinigung von Stammzellen mit den geschädigten, aber noch lebenden Gewebezellen – damit wäre unter Umständen die Quasi-Übertragung der Vitalität der Stammzelle auf die Gewebezelle verbunden. Laborstudien weisen auf die Möglichkeit einer solchen Fusion hin. Ob ihr dann auch praktische Relevanz zukommt, ist allerdings nicht bekannt.

Fremde Stammzellen – geht das?

Je nach Erkrankung lassen sich auch fremde Stammzellen zur Therapie einsetzen. In der Regel wirken eigene Stammzellen aber natürlich besser: Sie werden optimal vertragen, sind schneller verfügbar, lösen keine Nebenreaktionen aus – und der Patient muss nicht viele Jahre lang Medikamente einnehmen. Forscher schließen nicht aus, dass es etwa innerhalb der nächsten zehn Jahre erste Stammzelltherapien gegen Diabetes, Parkinson oder koronare Herzkrankheiten geben könnte. Bei Diabetes Typ 1 kamen in klinischen Studien bereits eigene Stammzellen erfolgreich zum Einsatz. Auch bei Multipler Sklerose, Schlaganfall oder Alzheimer und bei vielen weiteren Krankheiten hofft die Wissenschaft für die Zukunft auf die therapeutische Hilfe durch Stammzellen. Im Rahmen klinischer Studien konnte man bereits große Erfolge bei Herzinfarkten erzielen. Und sogar die „Züchtung“ künstlich-echter menschlicher Organe scheint weit weniger entfernt als angenommen.
Für die Medizin ergeben sich so immer bessere und neue Therapien: Wenn sich unser Körper infolge von Krankheit, Alter oder Unfall nicht mehr selbst helfen kann, wird künftig die Stammzelltherapie eine ernstzunehmende Alternative darstellen.

Die Zukunftsvision: Gesund bleiben statt gesund werden. Jedes Kind hat sein eigenes Depot an Nabelschnurblut. 50 oder 60 Jahre später sorgt dann eine Portion des eigenen Nabelschnurblutes dafür, dass die Leistungsfähigkeit des Immunsystems angeregt wird, Gefäßverkalkung zum Stillstand kommt und der Herzinfarkt gar nicht erst auftritt. Schöne, neue Welt!

Link: www.stammzellen-cellavie.at

Mag. Elisabeth Sorantin

Foto: dream designs – shutterstock.com

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