Lockdown: Mieter in Not – Räumungsklagen könnten sich verdoppeln

Das Sparbuch geplündert, das Konto überzogen, die finanziellen Reserven dahin. Knapp ein Jahr nach dem ersten Lockdown steht vielen Österreicher/Innen das Wasser bis zum sprichwörtlichen Hals.

Laut einer, Ende Jänner im Auftrag der Erste Bank Österreich durchgeführten Blitzumfrage des Meinungsforschungsinstitutes Integral sieht sich knapp ein Drittel der ÖsterreicherInnen (32%) finanziell unter Druck. Im Rahmen der Untersuchung gaben 26% der Befragten an, dass sie mit dem monatlichen Einkommen teilweise nicht mehr auskommen, weiter sechs Prozent meinten, dass ihr Monatseinkommen bereits jetzt gar nicht mehr für das tägliche Leben ausreicht.

Vor allem die Jungen leiden …

 „Besonders betroffen ist hier die Altersgruppe der 16 bis 29-Jährigen und Personen mit kleinen Kindern unter sechs Jahren, die immer öfter Schwierigkeiten haben, ihren monatlichen Verbindlichkeiten nachzukommen“, meint die Erste Bank Marktforscherin Karin Kiedler in einer Aussendung. Laut der Umfrage haben 28 Prozent – umgelegt 1,8 Millionen ÖsterreicherInnen – auch keine zusätzlichen finanziellen Reserven und 73 Prozent davon auch kein privates Umfeld, dass unterstützend zur Seite stehen könnte. Deshalb werden Kosten reduziert. 43 Prozent aller Befragten geben an, aufgrund der Krise bereits Einsparungen vorgenommen zu haben, 11 Prozent planen dies. (Mehr zum Thema hier: http://bit.ly/erste_bank_corona_folgen).

… und geben die Wohnung auf

Gespart wird mittlerweile auch bei der Wohnung. Wohnexperte Thomas Ritt von der Arbeiterkammer Wien: „Von gemeinnützigen Bauträgern wissen wir, dass vor allem junge Menschen ihre Wohnung aufgeben und wieder zu ihren Eltern zurückziehen.“ Auch manche Immobilienmakler berichten vermehrt von Anfragen für kleinere bzw.  günstigere Wohnungen, weil sich die Mieter die bisherigen Wohnungen nicht mehr leisten können. Das Problem dabei: Nachdem die Ersparnisse während der langen Lockdown-Phasen aufgebraucht wurden, fehlt das Geld für die oftmals notwendige Kaution. Kredite wiederum werden von den Banken mit Hinweis auf das wegen Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit zu geringe Einkommen abgelehnt – ein Teufelskreis, aus dem es nur schwer ein Entrinnen gibt.
Wie viele Menschen tatsächlich betroffen sind lässt sich nur schätzen, meint AK-Experte Ritt. Das Problem: „Es gibt keine Daten.“ Die während des ersten Lockdowns ausgerufene Mietstundung für drei Monate ist maximal ein Tropfen auf dem heißen Stein. „Weil es sich da um freiwillige Vereinbarungen zwischen Mietern und Vermietern gehandelt hat, gibt es natürlich auch dazu keine Daten, die einen Überblick über die tatsächlich getroffenen Vereinbarungen geben“, erklärt Ritt.

Mietstundung läuft aus – vier Monatsmieten fällig?

 
Das größte Problem ist laut dem Experten aber die Tatsache, dass diese Mietstundungen mit Ende April auslaufen. „Ab diesem Zeitpunkt können die Mietrückstände inklusive einer vierprozentigen Verzinsung fällig gestellt werden. Für Betroffene heißt das, dass sie dann möglicherweise vier Monatsmieten auf einmal begleichen müssen“, warnt Ritt. Betroffen sind aber nicht nur Menschen die auf Grund der Krise ihren Job verloren haben, sondern zunehmend auch jene, die in Kurzarbeit sind. Angestellte im Handel (außer Lebensmittelhandel), Fremdenverkehr und Gastronomie müssen mehr oder weniger deutliche Einkommensrückgänge verkraften. „Vor allem die Gastronomie-Angestellten, wo das jetzt fehlende Trinkgeld bis zu einem Drittel des Einkommens ausmacht, trifft es besonders hart“, meint der AK-Experte. Er befürchtet, dass die Zahl der Räumungsklagen im heurigen Jahr deutlich steigen könnte. „2019 gab es an die 10.00 Räumungsklagen, 2020 fiel die Zahl auf 8.000. Nicht zuletzt deshalb, weil die Gerichte drei Monate geschlossen hatten. Im heurigen Jahr könnte diese Zahl durchaus auf 16. bis 17.000 steigen“, erklärt Ritt – verweist aber gleichzeitig auf die schwierige – weil nicht vorhandene – Datenlage, die Prognosen erschwere. Um die ärgste Not zu lindern reicht die bei den einzelnen Bundesländern angesiedelte Wohnbeihilfe nicht aus. „Da sind die Kriterien viel zu streng – das Instrument wurde aber auch für einen anderen Zweck geschaffen.“  Der AK-Experte plädiert dafür, dass ein eigener mit an die 100 Millionen Euro dotierter Fonds eingerichtet wird, der dazu verwendet wird bei coronabedingten Härtefällen in Sachen Miete einzuspringen. „Bei den Hilfspaketen, die bisher ausgezahlt wurden bzw. noch nicht abgeholt wurden, ist das kein großes Unterfangen“, meint Thomas Ritt.
 

Kleines Trostpflaster

 

Für Mieter hat die Regierungskoalition kürzlich zumindest ein kleines Trostpflaster aus dem Hut gezaubert. Die eigentlich für April 2021 anstehende Erhöhung der Richtwertmieten wird für heuer ausgesetzt. Zur Erklärung: Normalerweise werden die Richtwertmieten laut der aktuellen gesetzlichen Regelung alle zwei Jahre per 1. April an die Inflation angepasst. (Mehr dazu  hier: http://bit.ly/3bzMfmq)