Diabetes in der Schwangerschaft

Während der Schwangerschaft kann unbemerkt eine Zuckerkrankheit auftreten – mit erheblichen Risiken für Mutter und Kind. Durch eine zusätzliche Untersuchung im Mutter-Kind-Pass soll die Krankheit jetzt bei allen Schwangeren entdeckt und therapiert werden.

Diabetes 2 wird oft als Altersdiabetes bezeichnet. Die Krankheit stellt sich aber manchmal lange vor den ersten grauen Haaren ein. Bei entsprechender Disposition – meist genetische Veranlagung in Kombination mit falscher Ernährung, Bewegungsmangel und Übergewicht – tritt diese Zuckerkrankheit mitunter schon Ende der Dreißiger auf. Und gar nicht so selten trifft eine spezielle Form dieser Zuckerkrankheit Schwangere, erklärt Alexandra Kautzky-Willer, Universitätsprofessorin an der Medizinischen Universität Wien und Leiterin des Ausschusses „Gender & MigrantInnen“ der Österreichischen Diabetes Gesellschaft: „Der sogenannte Gestationsdiabetes ist auch in Österreich eine sehr häufige Erkrankung, 20 Prozent aller Schwangeren mit Risikofaktoren waren in Schwerpunktkrankenhäusern betroffen, insgesamt trifft es wahrscheinlich jede zehnte Schwangere.“
Dass derzeit noch keine genauen Zahlen über die Häufigkeit dieser Erkrankung existieren hängt damit zusammen, dass sie oft unbemerkt verläuft. Anzeichen eines Diabetes wie Müdigkeit, gesteigertes Durstgefühl oder verstärkter Harndrang werden oft übersehen oder mit der Schwangerschaft im Zusammenhang gebracht. Nach der Geburt bildet sich der Diabetes meist auch wieder zurück. Trotzdem ist der Gestationsdiabetes keine zu vernachlässigende Begleiterscheinung der Schwangerschaft. Die Krankheit bringt eine Reihe ernster Risiken für Mutter und Kind. 
Größtes Problem ist, dass durch den hohen Blutzuckerspiegel mehr Glucose aus dem Blut der Mutter über die Plazenta in den Blutkreislauf des Babys gelangt. Das werdende Kind kann dadurch sehr groß werden. Und das ist alles andere als wün-schenswert. Mögliche Folgen sind Komplikationen während der Wehen oder der Geburt. Oft ist eine operative Geburt – ein Kaiserschnitt – notwendig, die sowohl für die Mutter als auch für das Kind zusätzlicher Gefahren bringt. Weitere mögliche Komplikationen der Gestationsdiabetes sind, dass das Baby nach der Geburt an Gelbsucht erkrankt, Unterzuckerung auftritt oder das Kleinkind Verhaltensstö-rungen aufweist.
Außerdem vermuten manche Wissenschaftler, dass große Neugeborene später eher zu Fettleibigkeit neigen und mit höherer Wahrscheinlichkeit selbst Diabetes entwickeln. Letztlich bleibt in manchen Fällen die Zuckerkrankheit bei der Mutter nach der Schwangerschaft bestehen und ganz allgemein ist bei den betroffenen Frauen das Risiko später an einem Altersdiabetes zu erkranken wesentlich höher.
Aufgrund all dieser mit Gestationsdiabetes verbunden Gefahren kämpft die Österrei-chische Diabetes Gesellschaft zusammen mit vielen Medizinern schon seit langem dafür, dass während der Schwangerschaft eine Untersuchung auf diese Form der Zuckerkrankheit vorgenommen wird. Im kommenden Jahr wird es soweit sein: Ein oraler Zuckerbelastungstest (Glukosetoleranztest) in der 24.bis 28. Schwanger-schaftswoche wird in den Mutter-Kind-Pass aufgenommen. Damit können flächendeckend erstmals alle gefährdeten Frauen entsprechend betreut und damit die mit dem Schwangerschaftsdiabetes verbundenen Risiken durch eine Therapie weitgehend ausgeschaltet werden.
Die Behandlung beschränkt sich zuerst auf eine Änderung des Lebensstils. Bei werdenden Müttern führen nämlich Schwangerschaftshormone zu größerer Insulinresistenz der Körperzellen. Um den daraus resultierenden erhöhten Blutzuckerspiegel abzubauen ist ein mehr an Insulin (das Hormon spielt eine Schlüsselfunktion beim Transport von Glukose in die Körperzellen) erforderlich. Gesunde Schwangere können den erhöhten Insulinbedarf durch vermehrte Produktion des Hormons in der Bauchspeicheldrüse decken. Bei Veranlagung zu einem Typ 2 Diabetes in Verbindung mit suboptimaler Ernährung funktioniert dieser Ausgleich oft nicht und es entsteht der Gestationsdiabetes.
Die für die Gesundheit von Mutter und Kind so wichtige Therapie setzt deshalb bei der Ernährung an. Für die Schwangere wird je nach Körpergewicht und körperlicher Aktivität ein Diätplan erstellt. Die tägliche Ernährung sollte aus 45 bis 55 Prozent Kohlenhydraten, 25 bis 35 Prozent Fett und 15 bis 20 Prozent Eiweiß bestehen. Bei Übergewicht wird überdies eine Reduzierung der Kalorienzufuhr erforderlich sein. Werdende Mütter müssen nämlich keineswegs – wie’s im Volksmund fälschlicher-weise heißt – für zwei essen. Ergänzt wird die gesunde Ernährung durch moderate, auf die Möglichkeiten der Schwangeren abgestimmte körperliche Aktivität. 
Erst wenn gesunde Ernährung und Bewegung nicht ausreichen, um die angepeilten Blutzuckerwerte zu erreichen (das ist lediglich bei etwa 15 Prozent der Betroffenen der Fall), steht eine Insulintherapie am Programm. Das Insulin wird dabei zu den Mahlzeiten und am Abend von der Schwangeren selbst unter die Haut gespritzt. Zusätzlich muss der Blutzuckerspiegel mit einem kleinen elektronischen Testgerät selbst kontrolliert werden. Spritzen und das Messen des Zuckerspiegels sind völlig einfach und leicht erlernbar. Für jeden Typ-1-Diabetiker und für viele Typ-2-Diabetiker gehört beides zur alltäglichen Routine. 
Mit der an sich problemlosen Therapie lässt sich der Schwangerschaftsdiabetes in nahezu allen Fällen in den Griff bekommen und der Blutzuckerwert auf ein normales Maß reduzieren. Die Schwangerschaft verläuft damit für Mutter und Kind auf dem Niveau stoffwechselgesunder Frauen und ohne die zusätzlichen Risiken des Diabetes. Werden nach der Geburt normale Blutzuckerwerte erhoben und zeigt ein späterer Glukosetoleranztest ein normales Ergebnis, ist eine weitere Therapie nicht mehr erforderlich.
Allerdings sollten sich Betroffene bewusst sein, dass sie ein erhöhtes Risiko für Typ 2 Diabetes haben und entsprechend vorsorgen. Grundlage dazu ist vor allem ein gesunder Lebensstil mit ausgewogener, fettarmer und ballaststoffreicher Ernährung, Verzicht auf Nikotin und ausreichend Bewegung. Wer das konsequent durchführt und regelmäßige Kontrolluntersuchungen durchführt, kann das Auftreten der Altersdiabetes verhindern oder zumindest wesentlich verzögern. Das ist ein ganz wesentlicher Beitrag für die Gesundheit, weil ein Typ 2 Diabetes langfristig Gesundheit und Lebensqualität im Alter massiv beeinträchtigt und sogar zu tödlichen Folgeerkrankungen führen kann.
 

Die Expertin zum Schwangerschaftsdiabetes

Alexandra Kautzky-Willer, ist Universitätsprofessorin an der Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel der III. Univ.-Klinik für Innere Medizin an der MedUni Wien. Für ihre Studien über Schwangerschaftsdiabetes wurde sie mit dem renommierten internationalen Forschungspreis „Joseph Hoet Research Award“ der EASD (European Association for the Study of Diabetes) ausgezeichnet

Die möglichen Ursachen für Diabetes:

Frau Professor, was sind die Ursachen von Schwangerschaftsdiabetes?
Eine genetische Prädisposition für Typ 2 Diabetes, die durch die hormonellen Veränderungen in der Schwangerschaft zu Tage kommt. Es handelt sich um eine Kombination von Insulinresistenz und in Relation zum Glukosespiegel zu wenig Insulin, um den Blutzucker im Normalbereich zu halten. Da die Insulinresistenz während der Schwangerschaft zunimmt sind eine fortlaufende Kontrolle des Blutzuckerspiegels und eine Anpassung der Therapie erforderlich.

Das Risiko mit Diabetes in der Schwangerschaft:

Was sind die Risikofaktoren?
Es sind die gleichen wie beim Typ 2 Diabetes: Übergewicht, genetische Veranla-gung, also Eltern oder Geschwister mit Diabetes, Alter über 35, erhöhter Blutdruck oder Blutfettwerte, starke Gewichtszunahme in der Schwangerschaft.

Die Symptome von Diabetes:

Welche Symptome treten auf?

Beim klassischen Schwangerschaftsdiabetes treten leider keine signifikanten Anzeichen einer Erkrankung auf. Die Zuckerwerte liegen in den meisten Fällen mit weniger als 200 mg/dl sogar unter dem symptomischen Wert. Bei manchen Betroffenen zeigen sich Müdigkeit, Durst und Harndrang. Ein klinisches Anzeichen für einen Schwangerschaftsdiabetes kann sein, wenn das Kind – vor allem der Bauchumfang – zu groß ist, was beim Ultraschall zu sehen ist. Auch Zucker im Harn kann ein Hinweis sein. Gerade deshalb ist der orale Glukosetoleranztest so wichtig und wir sind froh, dass er im kommenden Jahr in den Mutter-Kind-Pass aufgenommen wird.

Erkennen und Behandlung der Krankheit:

Wie läuft der Test ab?
Er wird am besten morgens nach mindestens achtstündiger Nahrungskarenz und Einhalten einer kohlenhydratreichen Ernährung durchgeführt. Die Schwangere erhält eine Glukoselösung ((75 Gramm Glukose in 300 ml Wasser), die sie innerhalb von fünf Minuten trinken soll. Vor dem Trinken dieser Lösung und eine sowie zwei Stunden danach werden jeweils ein paar Tropfen Blut abgenommen. In dieser Zeit darf die Patientin nicht rauchen und sollte möglichst ruhig sitzen. Aus der Entwicklung der Blutglukosewerte lässt sich exakt ablesen, ob eine gestörte Glukosetoleranz oder ein Schwangerschaftsdiabetes vorliegt.
Wer sollte sich angesichts der mit dieser Erkrankung verbundenen Risiken schon vor Verankerung des Glukosetoleranztests im Mutter-Kind-Pass unbedingt dieser Untersuchung unterziehen?
Natürlich alle Schwangeren mit den zuvor genannten Risikofaktoren. Vor allem aber auch Frauen, bei denen bereits in einer früheren Schwangerschaft Gestationsdiabetes festgestellt wurde. Bei ihnen liegt das Risiko eines abermaligen Auftretens bei 70 Prozent.
Fotos: CAUNOZOLS – shutterstock.com
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