Überschuldung: Was tun wenn das Geld nicht mehr reicht

Pandemie, Kurzarbeit, rasant steigende Preise, die dafür sorgen, dass der zur Seite gelegte Notgroschen dahinschmilzt wie das Gletschereis im Hochsommer. Wann spricht man von einer Überschuldung und welche Auswege gibt es.

 

Wie reagieren Sie, wenn Sie einen Kontoauszug bekommen? Lassen Sie ihn zu und ordnen Sie ihn zu einem geeigneten Zeitpunkt ein, weil Sie sowieso wissen, was darinsteht? Oder bleibt er erst einmal in Ihrem Briefkasten bzw. im Mail-Postfach, so lang, bis Sie sich den Mut beschafft haben ihn zu öffnen? Ja? Dann haben Sie hundert Punkte. Und vermutlich ziemliche Schulden.
Nun, damit sind Sie in guter Gesellschaft – in zahlreicher jedenfalls. Verschuldet ist in Österreich nämlich jeder zweite Haushalt. Das heißt, irgendwer hat für irgendwas irgendwann Schulden gemacht und die müssen nun vom laufenden Einkommen und von den Reserven gezahlt werden, oft jahrzehntelang.

Von Überschuldung spricht man erst, wenn die Raten eben sicher nicht mehr vom Gehalt abgedeckt werden können: Ab ca. € 50.000,– Schulden geht man davon aus, dass der oder die Betroffene kaum mehr aus eigener Kraft aus der Misere kommt.

Schulden sind männlich

Männer sehen sich immer noch traditionell für das Familieneinkommen verantwortlich – und wenn das nicht reicht, eben auch für die Familienkredite. Männer verdienen mehr, also können sie auch mehr Schulden machen.
Die Statistik der Schuldnerberatungen zeigt Jahr für Jahr das gleiche Bild: Zwei Drittel der Ratsuchenden sind männlich. Nur ein Drittel der Überschuldeten also sind Frauen? Hört sich doch recht freundlich an! Ja. Schon.

Zumindest so lange, bis man nach dem Grund für die Wahnsinnsraten der Frauen sucht: 92 % der Frauen haben nämlich die Schulden ihrer Ehemänner übernommen, 7 % stehen für ihre Söhne gerade. Und nur 1 % hat die Überschuldung einfach so, aus mangelndem Geschäftssinn verursacht. Schulden sind männlich, wie gesagt.

Das bestätigt auch die Bankangestellte Freda Mayer: “Ich bin als Schalterkraft meistens im Zentrum des Geschehens. Und ich kann an den Kontoauszügen und den Reaktionen der Kundinnen auch oft sehen, was mit ihnen los ist: Alleinerziehende kommen meistens so gerade noch über die Runden, wenn sie um ein paar Euro überziehen, dann können sie den Betrag spätestens mit dem 13. und 14. Gehalt abdecken.”

Armut ist weiblich, den Ausspruch kennen wir. Und von den Menschen, die auch in Österreich unterhalb der Armutsgrenze leben, sind der überwiegende Anteil Frauen. Frauen mit Kind, alleinerziehend. Tendenz steigend. Die Hemmschwelle zum Schuldenmachen, die ist bei Frauen eben höher. Die Hemmschwelle zum Schuldenübernehmen, die ist aber fast gar nicht da.

Schulden aus Liebe?

Für den Ehemann eine Bürgschaft zu übernehmen, das ist für die meisten Frauen gar keine Frage. Und oft bemerken sie die finanzielle Misere erst, wenn eine Scheidung ansteht oder der Partner stirbt und sie Einblick in die Geschäfte nehmen müssen. In Österreich sind etwa 350.000 Haushalte überschuldet – aber die Frauen wissen oft gar nichts davon!
Nach einer Scheidung bleiben auch die Zahlungen für gemeinsame Anschaffungen an den Frauen hängen: “Denn Frauen sind sesshafter. Sie müssen an einem Wohnort gemeldet sein, damit sie Unterstützung erhalten und die Kinder zur Schule schicken können.”, erklärt Christel Höhn von der Caritas-Schuldnerberatung. Und so sind die Frauen dem Zugriff der Banken ausgeliefert.

Nichts gegen die Banken! Es ist ihr gutes Recht – und schließlich sind sie auch für das Geld ihrer Anleger verantwortlich, mit dem die Kredite gewährt werden.

Doch gelegentlich schießen sie über das Ziel hinaus: Pfändungsversuche bei offensichtlich zahlungsunfähigen Schuldnerinnen sollen diese mürbe machen und so dazu bringen von irgendwoher noch irgendwie irgendwas aufzutreiben. Und so führt der nächste Weg vielleicht zu einem Kreditvermittler: Überteuerte. Vermittlungsgebühren, überhöhte Zinsen, das bringt weitere Überschuldung. Und viele schlaflose Nächte mehr.

Wunder – ziemlich selten

Ein Sechser im Lotto auch. Und Schulden lösen sich nicht einfach so in Luft auf. Der erste Schritt aus dieser Spirale ist ganz einfach – und zugleich der schwerste: Man muss nämlich zugeben, dass nichts in Ordnung ist, gar nichts.
Und dazu gehört es eben, dass man die Kontoauszüge, die Mahnkuverts und die bösen Schreiben der Inkassobüros einmal zusammensucht und sie auch öffnet. Können Sie daraus einen Überblick gewinnen, wie viel Sie wem schulden?

Versuchen Sie Ihre Verpflichtungen zu ordnen und dann fassen Sie sich ein Herz: Rufen Sie die jeweiligen Sachbearbeiter an. Schildern Sie Ihre Situation – und lassen Sie auch den Gläubiger seine Vorstellungen erklären. Spätestens wenn Sie die Situation dann so weit überblicken, wenden Sie sich an eine Schuldnerberatung. Achtung: Die Wartezeiten können schon einige Wochen betragen!

Der Berater wird mit Ihnen zusammen Ihre Probleme analysieren. Und er kann auch mit den Gläubigern reden – meistens mit Erfolg: Die Schulden werden Ihnen zwar wahrscheinlich nicht erlassen werden – aber der Druck hört auf.

Happy End gibt es selten. Aber ganz unhappy muss es auch nicht sein. Frau C. eröffnete für ihren Mann eine Firma und zog sich dann, als sie schwanger wurde, aus dem Geschäft zurück. Dadurch verlor sie die Kontrolle und die Übersicht über das Firmengeschehen – was schließlich zum Bankrott führte.

“Ich wollte ihm eine Verdienstmöglichkeit schaffen, er hatte vor vielen Jahren schon eine Firma verloren und erhielt daher keinen Gewerbeschein auf seinen Namen. Irgendwie verlor ich dann durch mein Leben mit den Kindern den Kontakt zur traurigen Realität. Und ich forderte auch nichts von ihm, weil ich dachte, er wäre überarbeitet und er hätte genug eigene Schwierigkeiten.”

Als ihr Mann fremd ging und Frau C. die Trennung verlangte, stand sie vor einem Schuldenberg, dessen Höhe sie bis heute noch nicht genau abschätzen kann – die Geschäfte ihres Mannes waren sehr verwickelt. “Ich werde nie wieder einem Mann in finanzieller Hinsicht vertrauen”, erklärt sie bestimmt. Der Gang aufs Sozialamt stellt aber wenigstens ihren Lebensunterhalt und den ihrer Kinder sicher.

Eine Geschichte, die Ihnen nie passieren könnten? Sicher. Hoffentlich. Aber andererseits: Sie würden sich weigern Ihrem Mann, dem Vater Ihrer Kinder, mit dem Sie schon jahrelang Tisch, Bett und Konto teilen, aus einer Finanzpatsche zu helfen?

Das wäre zwar vielleicht klug. Aber ein Zeichen von Liebe wäre es nicht. Ein Zeichen von Liebe wäre es aber sicher ihm zu helfen, da selber rauszukommen. Und dafür ist Ihre Unterschrift bestimmt nicht nötig.

Checklist Schuldenprävention

Die einfachste Art Schulden loszuwerden ist keine zu machen.
Orientieren Sie sich nicht ausschließlich an Männern: Es gibt keinen Grund, warum die Familienfinanzen von einem Mann verwaltet werden müssen.
Achten Sie darauf, dass Sie sich nicht von Ihren Freunden isolieren (lassen). In Konfliktsituationen ist Hilfe von außen notwendig! Wenn sich die Partner einer Beziehung gegenseitig abschirmen, ist es nur mehr ein kleiner Schritt zur Abhängigkeit.
Wenn Sie vor einer Trennung stehen: Schieben Sie sie nicht wegen Wohnungsproblemen auf. Sorgen Sie schon beim Zusammenziehen für einen gemeinsamen Mietvertrag – das ist beiden Partnern gegenüber fair.
Unterschreiben Sie niemals für andere, bürgen Sie für niemanden: Wenn jemand nicht kreditwürdig ist, wenn jemand keinen Gewerbeschein o.ä. erhält, dann hat das auch einen Grund!
Bürgen Sie auf keinen Fall, wenn Sie kein eigenes Einkommen haben.
Wenn Sie einen Kredit aufnehmen oder eine Ratenzahlung eingehen: Ist die Abzahlung auch dann noch gesichert, wenn Sie Ihren Job verlieren oder krank werden?
Klären Sie im Falle einer Trennung sofort eventuelle Zahlungsverpflichtungen und warten Sie damit nicht erst, bis der Scheidungstermin feststeht.

Checklist Überschuldung

Informieren Sie sich über die Konsequenzen. Nehmen Sie unbedingt eine Schuldnerberatung in Anspruch, auch wenn Sie noch gar keinen Überblick über die Zahlungsverpflichtungen haben.
Geben Sie sich nicht die alleinige Schuld an der Verschuldung! Sicher – Sie haben vielleicht einen Anteil daran. Aber wenn Sie sich mit Selbstvorwürfen lähmen, kostet das einen Teil jener Kraft, die Sie zum Kampf gegen Ihre Situation brauchen.

Wenden Sie sich nicht an Kreditvermittler! Die Vermittlungsgebühren sind stets überteuert.
Schämen Sie sich nicht für Ihre Schulden: Wenn Sie sie offen zugeben, können Sie Hilfe von außen annehmen.

Versuchen Sie mit Gläubigern zu reden – vielleicht auch mithilfe einer Schuldnerberatung. Informieren Sie sich auch darüber, was Gläubiger von Ihnen fordern dürfen und was nicht.

Achten Sie immer darauf, dass Ihr Lebensunterhalt gesichert ist und versuchen Sie Ihr Leben so zu organisieren, dass es lebenswert bleibt. Erst wenn Ihnen eine Summe bleibt, von der Sie leben können und von der Sie sich zu seltenen Gelegenheiten auch eine Kleinigkeit selbst schenken, zahlen Sie Ihre Schulden.
Pfändungsversuche sind unangenehm – aber lassen Sie sich nicht zur Ver zweiflung treiben: Manche Gläubiger versuchen auf diese Art noch von zahlungsunfähigen Schuldnern Geld zu erhalten. Wenn Sie nichts besitzen, dann kann Ihnen der Gerichtsvollzieher auch nichts nehmen!

 

Wer kann helfen?

Schuldenberatung Österreich – Beratungsstellen: https://www.schuldenberatung.at/

Auskommen mit dem Einkommen – Budgetberatung Österreich: https://www.budgetberatung.at/budgetberatung/

 

Foto: Shutterstock.com Andy Dean Photography

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