Wenn Frauen zu sehr lieben

Warum gehen Frauen, die einen liebevollen Partner suchen, scheinbar unvermeidlich immer wieder zerstörerische Beziehungen ein? Warum sind sie unfähig, einen Mann zu verlassen, der lieblos, emotional unzugänglich, terrroristisch oder sogar gefährlich ist?

Meine Freundin Bibi ist eine Seele von einem Menschen. Hübsch, gescheit und im besten Alter. Es gibt nur einen dunklen Punkt in Bibis Leben: ihre Männer. Hans war wirklich toll. Er sah gut aus, war supernett und bei jedem Spaß dabei. Das galt allerdings nicht für die Phasen, in denen er stockbetrunken war.

Dann kam Peter – groß, durchtrainiert; blonde Gelfrisur. Das war so beruhigend, dass Bibi einen kleinen Schönheitsfehler lange übersah: seine unbeherrschbare Schwäche für andere Frauen. Als Paul in ihr Leben trat, war sie schon vorsichtig und checkte ihn auf möglichen Alkohol- oder Frauenkonsum. Sie wurde nicht fündig und der ganze Freundeskreis atmete auf. Diesmal schien wirklich alles gut zu laufen und es wurden sogar Ehegerüchte laut.

Bis zu dem Tag, an dem Paul erklärte, alles sei ihm “zu eng” und eine so fixe Bindung doch nicht seine Sache. Das wars. Bibi musste ärztlich versorgt werden und konnte einfach nicht fassen, dass sie schon wieder so viel Pech hatte.

Die Geschichte von Bibi klingt vielleicht extrem, ist aber absolut kein Einzelfall. Zu sehr lieben bedeutet nicht für jemand anderen tief zu empfinden. Es bedeutet: sich für einen Menschen bis zur Selbstaufgabe zu verzehren, diese Besessenheit mit Liebe gleichsetzen, erkennen, dass sich dies auf Psyche und Körper negativ auswirkt und trotzdem nicht loslassen zu können.
Den Grad der Liebe zu einem anderen Menschen am Grad der damit verbundenen Qualen zu messen. Die Psychotherapeutin Robin Norwood schreibt in ihrem berühmten Bestseller: “Wenn Frauen zu sehr lieben”: “Wenn er sich uns gegenüber launisch, gereizt oder gleichgültig verhält oder uns sogar demütigt, und wir dieses Verhalten mit seiner unglücklichen Kindheit entschuldigen, dann lieben wir zu sehr. Wenn wir ein Selbsthilfebuch lesen und die Stellen unterstreichen, von denen wir glauben, dass sie ihm helfen können, dann lieben wir zu sehr. Wenn wir viele seiner Charakterzüge, Einstellungen und Verhaltensweisen ablehnen, sie aber in dem Glauben hinnehmen, dass er sich uns zuliebe ändern wird, dann lieben wir zu sehr. Wenn die Beziehung zu einem Partner unser seelisches oder körperliches Wohlergehen gefährdet und wir ihn nicht verlassen, dann lieben wir zu sehr”.

Katastrophenmänner mit Anziehungskraft

Warum gehen Frauen, die einen liebevollen Partner suchen, scheinbar unvermeidlich immer wieder zerstörerische Beziehungen ein? Warum sind sie unfähig, einen Mann zu verlassen, der lieblos, emotional unzugänglich, terrroristisch oder sogar gefährlich ist? Entgegen einer weitverbreiteten Meinung ist es nicht nur Schicksal immer wieder an Alkoholiker, Schläger, Tyrannen, Spieler, Bindungsängstler oder fremde Ehemänner zu geraten.
Melody Beatty schreibt in dem Buch “Die Sucht, gebraucht zu werden” über ihre Gefühle als Frau, die zu sehr liebte: “Irgendwie hörte ich fast auf, ein eigenes Leben zu leben.Und ich dachte: Das ist alles nur seine Schuld. Wenn er mich besser behandeln würde, hätte ich keine Probleme”.

“Eine Frau, die ‘zu sehr liebt’ steckt voller Angst. Unabhängig davon, wie sie nach außen wirkt, ist das Selbstvertrauen extrem niedrig. Und so zieht sie instinktiv Männer an, die ihre schlechten Meinung über sich selbst bestätigen.

Wie entsteht solch ein zerstörerisches Muster bei der Partnerwahl?
Viele betroffene Frauern sind in Familien aufgewachsen, in denen vermittelt wurde: “Was du denkst und fühlst, ist unwichtig!”: Robin Norwood: “Oft bleiben wir dann auch als Erwachsene in der Rolle, die wir als Kind hatten.” Frauen mit solchen Kindheitsgeschichten brauchen Krisen, Stress, Aufruhr und Verzweiflung von außen, damit die tief verborgenen Kindheitstraumata nicht an die Oberfläche kommen. Paradoxerweise versuchen sie mit dem Schmerz, der durch die Katastrophenbeziehung entsteht, den in ihrem Inneren zu betäuben.

Wie können Frauen, die immer wieder an Horrormänner kommen, gesund werden?
Schritt 1: Gestehen Sie sich ehrlich ein, dass Sie dieses Problem haben und damit Unglück in Ihrem Leben erzeugen. So ein Verhalten geht auf Kindheitsmuster zurück und kann verändert werden. Sagen Sie sich: “Heute bin ich erwachsen und kein abhängiges Kind mehr”.

Schritt 2: Die Liebe zu sich selbst ist die wichtigste Basis für eine gute Beziehung zu anderen. WENN Sie sich achten und respektieren, werden Sie gewisse Dinge nicht dulden. Egal wie es bisher war – Sie sind kein Opfer von Umständen, sondern können bestimmen, welche Menschen Sie in Ihrem Leben haben wollen.

Schritt 3: Überlegen Sie, welche Art von Beziehung Sie wirklich führen wollen. Sie ersparen sich viel Leid, wenn Sie von Anfang an darauf achten und nicht in der ersten Begeisterung übersehen, dass der Göttliche ganz anders ist, als Sie ihn haben wollen.

Hilfe von außen

Wenn Sie gerade in einer Beziehung stecken, die man nur als Katastrophe bezeichnen könnte und nicht weiter wissen, suchen Sie Hilfe. Das ist keine Schande!
Eine Frau, die von der Sucht nach Katastrophen genesen ist, zeigt folgende Verhaltenweisen:

Sie schätzt sich selbst in jeder Hinsicht: Persönlichkeit, Aussehen, Leistungen, Wertvorstellungen.
Sie fragt sich: “Ist diese Beziehung gut für mich? Ermöglicht sie es mir weiterzuwachsen und meine Persönlichkeit voll zu entfalten?”

Wenn ein Mann ihr schadet, ist sie fähig ihn aufzugeben, ohne durch Depression gänzlich handlungsunfähig zu werden. Sie hat auch Freundschaften gepflegt, die Krisen überstehen helfen.
Ihre Gelassenheit schätzt sie mehr als alles andere.
Sie weiß, dass eine erfüllende Beziehung nur zwischen Partnern bestehen kann, von denen jeder zu echter Nähe fähig ist.

Sie ist in der Lage, auch alleine zu leben und nutzt diese Zeit, um sich selbst noch besser kennen zu lernen. So kann sie herausfinden, welche Lebensform für sie die richtige ist.
SIE WEISS, DASS SIE ES WERT IST, ALLES ZU BEKOMMEN, WAS DAS LEBEN ZU BIETEN HAT.

 

Bild: pixabay_Stefan Kellr

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