Quengel-Alarm

Der Kofferraum des Passat Kombi ist pickepacke vollgeladen. Koffer, Taschen, Decken, Sonnenschirm, Kühlbox mit Getränken für die Fahrt – alles für den Start in Sonnenurlaub jenseits der Alpen in Italien ist gepackt. Jan krabbelt auf den Rücksitz und nimmt in seinem Kindersitz Platz. Die Vorfreude auf den Urlaub sieht man dem Fratz deutlich an, während seine Eltern Gerlinde und Peter eher einen Hauch von Reisestress im Gesicht stehen haben. Bei Imst geht es auf die A 12 in Richtung Innsbruck. Anfangs drückt sich Jan noch die Nase an der Scheibe platt und beobachtet die anderen Autos. Bald schon verliert er das Interesse und fängt an, in seiner Tasche zu kramen. Er fingert die tragbare Spielekonsole hervor. Nach dem  Anstellen dudelt die Musik. Der warnende Blick von Papa Peter im Rückspiegel sorgt für schnelle Ruhe. Die Eltern von Jan haben aus vorhergehenden Reisen gelernt, wie anstrengend es sein kann, wenn auf der Rückbank „Quengel-Alarm“ herrscht. Gerade deshalb haben sie die „Keine-Langeweile-Tasche“ neben Jan im Auto platziert.

Lange Fahrt gleich Langeweile?!

„Lange Autofahrten sind für Kinder eine Tortur und quengelnde Kinder auf dem Rücksitz bedeuten Stress für den Fahrer und damit ein erhöhtes Unfallrisiko“, warnt der österreichische Zivilschutzverband. Sind die Kinder schlecht gelaunt, maulen oder streiten mit den Geschwistern, so kann dies den Fahrer ablenken. Diese Erfahrungen hat auch der ÖAMTC gemacht: „Das emotionale Klima im Wagen hat Auswirkungen auf das Fahrverhalten“, erklärt Verkehrspsychologin Marion Seidenberger. Die Expertin des Automobilclubs fährt fort: „Fahrfehler können die Folge sein.“ Mit allen Konsequenzen bis hin zu einem Unfall. Soweit ist es bei Jans Familie zum Glück noch nicht gekommen. Gleichwohl kennen die Eltern das Kernproblem fürs Stimmungstief auf der Fahrt in den Urlaub: Langeweile. „Gequengel, Raunzerei, schlechte Laune, Streitereien“, zählt Marion Seidenberger die möglichen Folgen auf. „Leider kommt die Langeweile oft sehr schnell – manchmal schon kurz nach der nächsten Ecke beziehungsweise kurz nach dem Verlassen der Garage“, so die Verkehrspsychologin. Solange die Familie mit dem Auto im Stadtgebiet unterwegs sei, gebe es genügend visuelle Eindrücke, die den Nachwuchs ablenken könnten. „Sehr rasch kommt Langeweile auf monotonen Strecken wie Autobahnen oder Schnellstraßen auf“, berichtet die ÖAMTC-Frau vom Fach weiter.

Wenn die Zeit im Flug vergeht …

Mit diesem Problem haben Mamis und Papis bei Flugreisen eher wenig zu kämpfen. „Langeweile kommt bei Kindern an Bord selten auf“, berichtet Pia Stradiot, Mitarbeiterin bei Austrian Airlines. Der Flughafen an sich biete schon jede Menge aufregende Entdeckungsmöglichkeiten: Check-In, Personenkontrolle, startende und landende Flugzeuge … Damit im Jet selbst das Thema Langeweile gar nicht erst aufkommt, tun die fliegenden Experten einiges: „Wie bieten unseren kleinsten Gästen an Bord eine Spielzeuglade“, sagt Pia Stradiot. Kids-Magazin und spezielles Unterhaltungsprogramm sind weitere Schachzüge gegen das Quengeln. Trotz all dieser Maßnahmen gibt Pia Stradiot den Mamis und Papis mit auf den Weg: „Wir raten den Eltern, Spielzeug oder ein speziell liebgewonnenes Kuscheltier mit an Bord zu bringen.“

Bordunterhaltung

Bei der Fahrt mit dem eigenen Auto in Richtung Ferienort muss Jans Familie auf den Service verzichten, den viele Fluggesellschaften während der Reise in den Urlaub bieten. Hier sind allein Mama und Papa gefragt: „Man sollte schon vor der Reise an Bordunterhaltung denken“, sagt Marion Seidenberger. Dabei reicht die Palette von klassischen Gesellschaftsspielen im Kleinformat und Büchern über elektronische Spaß-Macher wie Nintendo DS oder mp-3-Player bis hin zur aktiven Beschäftigung mit den Kindern. Zu beachten ist bei allem die Autotauglichkeit: „Produkte, die im Handel zu kaufen sind, müssen so beschaffen sein, dass Kinder sie alleine spielen können und dass sie wenig Platz benötigen“, sagt Eleonore Ditye vom Ravensburger Verlag. Manchmal ist das ganz einfache Unterhaltungsprogramm ohne größere Hilfen das  richtige Mittel. „Gut geeignet für Autofahrten sind Spiele wie ‚Ich sehe was, was du nicht siehst und das ist …‘ oder  Spiele, wo gezählt wird – zum Beispiel Autos in einer bestimmten Farbe, Lkw oder Traktoren“, so Ditye weiter. Wer gemeinsam mit seinem Nachwuchs beispielsweise ein Quiz spiele, solle laut Marion Seidenberger aber beachten: „Fragespiele nur kurz spielen, sonst wird auch das zu langweilig.“ Alternativ könne man bereits Pläne für die ersten Urlaubstage schmieden, mit den Kids reimen oder singen oder die Buben und Mädchen einfach mal auf dem Spielplatz der nächsten Raststätte toben lassen. „Pausen sollte man alle zwei Stunden einplanen“, sagt die Verkehrspsychologin. So lange sind Jan und seine Eltern noch nicht auf Österreichs Autobahnen unterwegs, als sie die Grenze auf dem Brenner passieren. Von der Rückbank kommt kein Mucks. Mit seinen mp-3-Kopfhörern in den Ohren hat Jan schließlich der Schlaf übermannt. Ob er wohl von den nächsten Tagen in der Sonne träumt…?

Was in die Super-Sommer-Reise-Box gehört

  • Lieblingskuscheltier – Ob im Flieger, im Zug oder im Auto, das Kuscheltier ist der richtige Begleiter. In seiner Gegenwart kann das Kind besser entspannen und die Fahrt oder den Flug genießen.
  • Reisespiele – Viele Gesellschaftsspiele gibt es im Kleinformat für die Reise. Nicht alle eigenen sich auch für die Auto- oder Zugfahrt. Vertiefungen, Magnete oder andere Hilfen sorgen bei brauchbaren Spielen dafür, dass die Spielfiguren am Platz bleiben.
  • Quartett – Karten sind fast überall einsetzbar. Allerdings müssen manchmal auch die erwachsenen Beifahrer als Mitspieler herhalten.
  • Bücher – Ob zum bloßen Anschauen, zum Ausmalen oder zum Lesen… Bücher sind eine gute Möglichkeit, dass sich die Kids alleine beschäftigen.
  • MP-3-Player – Was einmal der Walkman oder Discman waren, sind heute die MP-3-Player. Für die lange Autofahrt kann man so manches Hörspiel auf den Mini-Hifi-Anlagen speichern. Oder je nach Belieben kommen noch einige Kinderlieder hinzu.
  • Lieblingsspielzeug – Solange es nicht das Fahrrad oder die Schaukel aus dem heimischen Garten ist… Die Kinder sollten einige ihrer Lieblingsspielsachen mit auf die große Tour nehmen dürfen.
  • Mal-Utensilien – Kreative Köpfe können sich gut mit einigen Blatt Papier und Stiften alleine beschäftigen. Als Unterlage kann ein Holz- oder Kunststoffbrett (zum Beispiel ein ausgedientes Küchentablett) dienen. Im Handel erhältlich sind auch spezielle Malunterlagen für unterwegs.
Text: Stefan Trockel
Fotos: altanaka, visualpower – shutterstock.com
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