Ausbildung: MINT birgt enorme Chancen – auch und besonders für Mädchen

Mädchen spielen mit Barbie, Buben mit Lego – Geschlechterklischees bestimmen unseren Alltag. Ein großer Fehler wie Alexandra Vetrovsky-Brychta vom IT-Unternehmen Celum meint. Warum und was das alles mit MINT zu tun hat, erklärt sie im Interview mit fratz.at.

 

Was ist MINT und wie sehen Sie die derzeitige Situation am Arbeitsmarkt in Österreich?

Alexandra Vetrovsky-Brychta: MINT – also die Abkürzung für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – umfasst genau jene Bereiche, die für unsere wirtschaftliche Zukunft entscheidend sind. Gleichzeitig bietet MINT besonders für die weibliche Bevölkerung enorme Chancen. Österreich ist mit einer Wirtschaftsbremse konfrontiert, dem Fachkräftemangel. Auch wenn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen diesen derzeit etwas abmildern, so wird er beim kommenden Aufschwung hemmend wirken. Ab 2040 ist jede vierte Person über 65 Jahre alt und somit nicht mehr im erwerbstätigen Alter. Besonders massiv wird der Mangel an Personal in den Bereichen Technik und IT, da gibt es jetzt bereits Engpässe. Es muss daher dringend weiteres Potenzial an Arbeitskräften für diese Berufe motiviert werden.

 

Alexandra Vetrovsky-Brychta, CGO CELUM, (c) Markus_Schneeberger

Alexandra Vetrovsky-Brychta, CGO CELUM, (c) Markus Schneeberger

Natürlich sollen sich unsere Kinder ihre Berufe selbst aussuchen, aber wir Eltern haben die Verpflichtung, unseren Kindern eine offene stereotypenfreie Einstellung zu vermitteln und ihnen somit eine echte Wahl aus allen Möglichkeiten zu geben.

 

Warum sind Frauen in MINT-Berufen noch immer stark unterrepräsentiert? Was braucht es, um mehr Mädchen für diese Sparten zu begeistern?

Alexandra Vetrovsky-Brychta: Frauen sind in den sogenannten MINT-Berufen leider noch immer unterrepräsentiert mit einem Anteil von 10 bis 20 Prozent. Im Umkehrschluss ist das auch die Chance für Mädchen, eine Ausbildung mit Jobgarantie einzuschlagen, egal ob durch Lehre oder Beruf. Die Wirtschaft hat diese Chance bereits erkannt und es gibt zahlreiche Bemühungen, Mädchen und junge Frauen von den Vorteilen zu überzeugen. Bei den Betroffenen selbst jedoch wird es schwieriger, denn es fehlen oft Vorbilder im Familienumfeld oder auch in Medien. Daher ist es umso wichtiger, dass Eltern hier aktiv Aufklärungsarbeit leisten, Interesse wecken und bestehende Stereotype bekämpfen.

 

Warum ist es so wichtig, Kindern eine stereotypenfreie Orientierung zu ermöglichen – auch in Hinblick auf eine spätere Berufswahl?

Alexandra Vetrovsky-Brychta: Eine MINT-Ausbildung jetzt einzuschlagen, bietet nicht nur gute Jobchancen, sondern auch Option auf überdurchschnittliche Bezahlung. Derzeit liegen Gehälter in diesen Branchen um 15 bis 20 Prozent über dem Durchschnitt, besonders in technischen Berufen. Natürlich sollen sich unsere Kinder ihre Berufe selbst aussuchen, aber wir Eltern haben die Verpflichtung, unseren Kindern eine offene, stereotypenfreie Einstellung zu vermitteln und ihnen somit eine echte Wahl aus allen Möglichkeiten zu geben. Unsere Kinder schauen zu uns auf, wir sind ihre Vorbilder im Guten wie im Schlechten. Wir Eltern haben es in der Hand, ob wir geschlechtsunabhängiges Selbstbewusstsein und Begabung fördern. Daher ist es umso wichtiger, so früh wie möglich mit neutralen Förderungen – nach Begabung und Interesse und nicht nach Geschlecht – zu beginnen. Das sage ich mit voller Überzeugung, da ich selbst in dieser Branche als Managerin einer Softwarefirma arbeite und Mama einer wundervollen Tochter im Volksschulalter bin, der alle Möglichkeiten offenstehen sollen.

 

Gibt es Situationen, in denen Ihnen besonders bewusst wurde, wie Kinder mit Geschlechterklischees konfrontiert werden?

Alexandra Vetrovsky-Brychta: Ja, erst kürzlich wurde mir die unbewusste Beeinflussung durch Klischees wieder vor Augen gehalten. Bei einer trivialen Besorgung der Vorweihnachtszeit: Adventskalender kaufen. Es gibt hier ganz klar geschlechterspezifische Rollentrennung: Schön in Rosa, Pink und glitzernd die „Mädchenabteilung“ mit Schminkutensilien oder Barbie-Accessoires und die „Bubenabteilung“ in männlichem Blau und Schwarz gehalten mit Experimenten und Lego. Warum kann nicht auch ein „Mädchenkalender“ in Rosarot voller Experimente sein? Und warum braucht es diese Stereotypen überhaupt? Und nein, ich habe meine Tochter nicht beeinflusst. Sie durfte sich einen aussuchen. Es wurde ein Adventskalender in neutralen Farben mit Zaubertricks. Aber ein bisschen stolz bin ich schon, dass es kein Glitzer-Schminkkalender wurde. Halten wir Eltern uns dieses Beispiel vor Augen und eröffnen unseren Kindern und der österreichischen Wirtschaft und Gesellschaft alle verfügbaren Chancen.

 

Bild oben: Pixabay/Gerd Altmann

Bild Mitte: beigestellt – (c) Markus Schneeberger

 

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Zur Person

Alexandra Vetrovsky-Brychta ist als Chief Growth Officer (CGO) für Expansion und Wachstum des Softwareunternehmens CELUM (www.celum.com) verantwortlich und zudem seit März 2021 Präsidentin des Dialog Marketing Verband Österreich (DMVÖ). Als Mutter einer Tochter im Volksschulalter sind ihr der Abbau von Geschlechterklischees sowie die Förderung von Chancengleichheit besondere Anliegen.