Echter Genuss

Wenn Petersilie & Co am Balkon sprießen und Kids wieder wissen, woher die Milch kommt, dann ist nachhaltige Ernährung kein leeres Wort. Respekt und achtsamen Umgang mit Lebensmitteln kann man lernen.

„Mama, woher kommt diese Tomate?“ fragt mich neuerdings meine Tochter beim Einkaufen. Und besteht schon einmal darauf, das Obst und Gemüse in den Wagen wandern zu lassen, das keine langen Anfahrtswege hinter sich legen musste.
Kinder sind heute viel informierter als wir Eltern in jungen Jahren waren. Dabei spielt die Schule eine große Rolle, untereinander tauschen sie Informationen aus, aber auch über das Internet erfahren sie, was sich in Sachen Umwelt tut. Biologische Ernährung ist ja nur ein Bereich, aber ein sehr wichtiger. Denn damit können wir ganz unmittelbar umweltbewusst handeln und zugleich uns und unserer Familie Gutes tun.

Produkte aus der Nähe

Wesentliches Kriterium ist, dass die Produkte vor dem Verkauf keine unnötig langen Wegstrecken zurückgelegt haben. Dr. Eva Heiling-Makowski vom ethischen Einkaufsführer animal.fair empfiehlt: „Grundsätzlich ist es fast immer besser regional (hier liegt aber mit der Kennzeichnung noch einiges im Argen) und saisonal zu kaufen. Je mehr Inhaltstoffe in einem Lebensmittel sind und je mehr Verarbeitungsschritte ein Produkt durchlaufen hat – oft an ganz unterschiedlichen Orten – desto mehr Skepsis ist geboten.“
Durch die bewusste Auswahl haben die Konsumenten die Möglichkeit der Mitbestimmung, so Heiling-Makowski weiter: „Jeder Einkauf ist wie eine Stimmabgabe an der Wahlurne. Wenn sich zwei Dutzend Haushalte in einer FoodCoop – einer Einkaufsgemeinschaft für Bioprodukte aus der Region – zusammentun, dann ist das eine kleine Revolution. Denn diese zwei Dutzend Haushalte versorgen sich nicht mehr über den Gang in den Supermarkt mit allem, was dazugehört: Tomaten im Winter aus Spanien, Bohnen aus China, Fleisch aus der Massentierhaltung usw. Die Mitglieder einer FoodCoop suchen sich die verschiedenen Produzenten aus der näheren Umgebung selber aus, da entstehen Kontakte, Bindungen, Vertrauen … Und eine ganz andere Einstellung zu den Lebensmitteln.“

Was sprießt denn da?

Einen besonderen Bezug zu Lebensmitteln kann man durch das Anbauen und Pflanzen herstellen. Ein Kind, das die Kresse selbst aus dem Wattebällchen sprießen sehen oder einen Salatkopf, Tomaten oder Kräuter am Balkon gezogen hat, wird diese besonders genießen. Produkte wie Do it yourself-Sets für Kids oder Säulenobstbäume, an denen platzsparend auch am Balkon Äpfel, Birnen und andere Obstsorten wachsen, machen es möglich, auch in der Stadt den grünen Daumen der Familie zu pflegen. Expertin Geißler-Katzmann: „Auch Eltern in der Stadt haben durch zahlreiche Projekte wie Selbsternteprojekte oder Gemeinschaftsgärten die Möglichkeit, ihren Kindern spielerisch altes Wissen weiterzugeben. Was gibt es Schöneres als die Erkenntnis, dass aus einem gepflanzten Samen, bei entsprechender Wasser- und Lichtversorgung, Keimblätter sprießen und bald schon Früchte oder krautige Blätter entstehen, die man ernten und schmecken kann.“

Vorbild-Rolle

Eine besondere Rolle spielt aber immer noch die Vorbildwirkung der Eltern. „Bei den meisten Kindern beginnt die Neugierde auf Essen und Trinken schon ab dem sechsten Lebensmonat. Kinder wollen genau das kosten, was Eltern trinken und essen. Wenn das Kind Wasser trinken soll, jedoch die Bezugsperson Cola im Glas hat, dann wird das mit dem Wassertrinken weniger gut funktionieren. Kinder lernen am Beobachten, das merken wir spätestens beim Rollenspiel“, weiß die auf das Thema Nachhaltigkeit spezialisierte Ernährungswissenschafterin und Kinesiologin Mag. Julia Geißler-Katzmann.
Daher: „Um Kindern den Respekt beizubringen, ist es immer notwendig, sein eigenes Verhalten unter die Lupe zu nehmen. Gehe ich achtsam mit Lebensmitteln um oder werfe ich regelmäßig Speisen in den Müll? Wenn das Obst liebevoll in einer schönen Schale drapiert wird, verlockt es auch eher zum Zugreifen als in einer noch plastikverpackten Tasse.“
Auch die Verwertung von Resten ist wesentlich, um Kindern den bewussten Umgang mit Nahrungsmitteln vorzuleben. „Übrig gebliebene Lebensmittel oder Speisen nicht wegzuschmeißen, sondern die Reste sofort kalt zu stellen oder einzufrieren ist ein Schritt in die richtige Richtung,“ rät Geißler-Katzmann.
Ernährungsberaterin und Buchautorin Mag. Ingeborg Hanreich empfiehlt in ihrem Buch „Pfiffige Rezepte für kleine und große Leute“ das so genannte Kettenkochen: „Wird von einer Zutat wie zum Beispiel einer Beilage mehr gekocht, können die Reste verwertet werden.“ Zur besseren Planung des täglichen Kochens dient ein Wochenspeiseplan. Aber auch der sparsame Umgang mit Energie, sowie die achtsame Zubereitung sind Schritte in Richtung bewusster Ernährung. Hanreich: „Gemüse verliert mehr Vitamine und Mineralstoffe, wenn Sie es in viel Wasser kochen. Sie können einen Großteil der Mineralstoffe „retten“, wenn Sie das Kochwasser als Suppen- oder Brühenbasis verwenden. Sollte dies jedoch nicht möglich sein, so ist Dämpfen angebracht.“ Dabei auch die Kids ruhig selbst den Kochlöffel schwingen lassen. Speisen selbst zubereitet zu haben, erhöht die Wertigkeit und lässt sie noch besser schmecken.

INTERVIEW

„Gelebte Ernährungs- und Umweltbildung“

Ernährungswissenschafterin und Kinesiologin Mag. Julia Geißler-Katzmann im Gespräch mit fratz&co über nachhaltige Ernährung
fratz&co: Obst und Gemüse selbst anzubauen liegt im Trend – welchen Stellenwert hat dies, um Kindern den bewussten Umgang mit Lebensmitteln zu vermitteln?
Mag. Geißler-Katzmann: Einen sehr hohen, denn das ist gelebte Ernährungs- und Umweltbildung. Mein Sohn, heute zwei Jahre alt, weiß jetzt schon genau welche Pflanzen und Beeren im Garten essbar sind. Schon ab seinem 18. Lebensmonat hat er mir geholfen, Kräuter und Beeren im Garten zu ernten. Wenn er jetzt vor dem Ribiselstrauch steht und nach Ribiseln verlangt, muss ich ihm erklären, dass die jetzt leider noch nicht reif sind, aber er erkennt den Strauch und kann diesen auch schon von einem Himbeerstrauch unterscheiden. Es ist immer wieder bewegend wie schnell Kinder lernen. Natürlich gibt es auch giftige Pflanzen, wie die Eibe, welche auch rote Früchte trägt. Da ist besondere Vorsicht geboten und viel Erklärung notwendig. Aber als mein Sohn sah, dass ich diese Beeren zertrete, wenn sie am Boden liegen, wusste er, dass dieser Umgang nur heißen kann, dass sie nicht genießbar sind. Schon ein Balkonkisterl mit Salatpflanzen oder ein Kresseigel am Fensterbrett können einen großen Beitrag leisten.
fratz&co: Wie koche ich als Eltern nachhaltig? Ihre Tipps dafür?
Mag. Geißler-Katzmann: Gut ist es immer sich vorzustellen wie es im Freiland funktioniert. Dass im Jänner z.B. keine klimatischen Bedingungen für Tomaten in Österreich herrschen liegt klar auf der Hand. Also muss die Tomate wohl im beheizten Glashaus und künstlichem Licht ausgesetzt produziert worden sein.
Dies benötigt einen enormen Energieeinsatz, der am Etikett aber nicht nachvollziehbar ist. Es existieren auch Betriebe, die mit klimafreundlichen Energien wie Fernwärme oder Photovoltaik ihre Energiebilanz verbessern, jedoch ist es besser beim Tomatenkauf auf die tatsächliche Saison zu warten. Das wäre in Österreich von Ende Juli bis Mitte Oktober.
Öfter zu Bioprodukten zu greifen, gerade bei Milch- und Fleischprodukten, hat ein enormes Energieeinsparpotential. So emittiert die biologische Landwirtschaft bis zu 60% weniger CO2 als die konventionelle. Dies kommt vor allem durch das Verbot von mineralischen Düngemitteln zustande. Die Erzeugung von 1kg Stickstoffdünger setzt 7kg CO2 Emissionen frei.
Für den Fischverzehr ist heimischer Fisch wie Forelle, Saibling oder Karpfen dem Meeresfisch vorzuziehen. Aus ökologischen Gründen kann ich keine Empfehlung für diesen aussprechen. Wer gar nicht darauf verzichten will, wählt Meeresfisch mit dem Biogütesiegel.
Weniger ist mehr gilt beim Thema Fleisch. Auch Hülsenfrüchte und Nahrungsmittel-Kombinationen, wie Kartoffel mit Ei oder Mais mit roten Bohnen, liefern unseren Kindern hochwertiges Eiweiß. Lieber zu Eiern aus biologischer oder Freilandhaltung greifen. Als Zwischenmahlzeit ist saisonales Obst genau das Richtige.
fratz&co: Kinder patzen, spielen bei Tisch. Was haben Umgangsformen und Respekt vor Lebensmitteln miteinander zu tun?
Mag. Geißler-Katzmann: Hier kommt es vor allem auf das Alter des Kindes an. Wenn ein acht Monate altes Baby mit den gegarten Karottensticks Türmchen baut, um dann davon abzubeißen, dann ist mir das als Mutter nur recht. Denn wenn Gemüse Essen Spaß macht, hab ich schon viel gewonnen. Bei einem Zwölfjährigen wäre das wohl nicht mehr so chic.
Eine gute Tischkultur weiterzugeben und zu fördern ist eine schöne Sache. Daher gilt für mich: Handy und Tablet haben am Tisch nichts verloren. Oft ist bei Kleinkindern nur eine Nahrungsaufnahme mittels Ablenkung durch gemeinsames Spielen am Esstisch möglich, doch diese Phase sollte auch wieder ein Ende finden. Im Vordergrund steht, dass sich das Kind auf das Essen und somit auf das gute Kauen und das eigene Sättigungsgefühl konzentrieren soll. Wenn ich jedoch als Elternteil meine beruflichen E-mails doch noch schnell via Handy zwischen Suppe und Hauptgang erledigen möchte, dann darf ich mich nicht wundern, wenn mir dieses Verhalten von meinem Kind gespiegelt wird. Auch hier geht es wieder um die gelebte Vorbildwirkung.
In der Ernährungsbildung ist jedoch einer meiner Leitsätze: „Mit dem Essen darf man spielen“. Denn das Lernen von Ernährungswissen funktioniert am besten über die fünf Sinne. So dürfen die Kinder das Gemüse im Fühlsack ertasten, das Vollkornbrot erschnuppern oder den Karottenaufstrich erschmecken.
fratz&co: Inwieweit bzw. wodurch hat ich das Bewusstsein für die Wertigkeit von Lebensmitteln in den letzten Jahren verändert?
Mag. Geißler-Katzmann: Durch die wachsende Industrialisierung ist die Selbstverständlichkeit des Wissens um die Herkunft unserer Lebensmittel verloren gegangen. Immer größer werdende Betriebe produzieren immer spezialisiertere Produkte. Für Kinder ist es nicht immer selbstverständlich, dass das Ei von der Henne gelegt wird oder dass die Butter aus der Milch gewonnen und diese von der Kuh stammt. Die Produktion von Nahrungsmitteln passiert zum Hauptteil hinter verschlossenen Türen. Da unser Alltag meist sehr schnelllebig ist, wird immer öfter zu Fertigprodukten gegriffen, deren ursprüngliche Herkunft gar nicht mehr ersichtlich ist. Dadurch wissen wir auch nicht mehr, wie viele Schritte und Energieinput überhaupt notwendig sind, um etwas zu produzieren. Darüber hinaus enthalten hochverarbeitete Produkte viel zu viel Zucker, Fett und Salz, die sich hinter Begriffen verstecken, die für den Laien nur schwer entschlüsselbar sind. Nicht umsonst ist in Österreich beinahe jedes 4. Kind zwischen sieben und vierzehn Jahren übergewichtig. Auch hier gilt es, Bewusstsein zu schaffen.
Je mehr Schritte wir in der Verarbeitungskette wieder selbst übernehmen, wie z.B. den Anbau von eigenen Kräutern oder Gemüsen oder aber auch das Waschen, Schälen, Schneiden und Verkochen, desto höher wird die Wertschätzung gegenüber der zubereiteten Speise. Wenn der Kürbis selbst vom Samen bis zur Frucht herangezogen wurde und wir ihn verarbeitet haben, fällt es viel schwerer, die verbliebenen Speisereste wegzuwerfen als bei einem Tütenprodukt.
Es geht also um den Bezug zum Essen. Hier schließt sich wieder der Kreis zur zweiten Frage, wie sinnvoll ich den Gemüse- oder Kräuteranbau mit Kindern halte.
Text: Johanna Kröner
Foto: pixabay/Wolfgang Eckert
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