Kind im Krankenhaus

Ich kann mich noch gut erinnern, als meine um zehn Jahre jüngere Schwester – sie war damals gerade drei Jahre alt – ins Spital musste.

Mandeloperation. Sie weinte erbärmlich, als wir sie alleine zurückließen, obwohl (oder weil?) sie noch gar nicht wusste, was auf sie zukam.

Angst vor weißen Mänteln

Bis vor einigen Jahren waren strikte Besuchszeiten in Spitälern üblich. Über die möglichen Auswirkungen eines Krankenhausaufenthaltes auf die psychische Entwicklung des Kindes war noch wenig bekannt. “Inzwischen weiß man jedoch, dass Kinder durch die Trennung von den Eltern einen furchtbaren Verlust erleiden können und die Kliniken berücksichtigen grundsätzlich diese Erkenntnis”, so Dr. Peter Voitl, Kinderarzt in Wien.
„Kinder haben das Recht, ihre Eltern oder eine andere Bezugsperson jederzeit bei sich zu haben” heißt es in der Charta für die Kinder im Krankenhaus (Unesco, 1988). Prim. Univ.-Doz. Rokitansky, Vorstand der kinderchirurgischen Abteilung des Donauspitals in Wien, spricht von einem “unverzichtbaren Humanitätsanspruch in der modernen medizinischen Kinderversorgung”.

Denn: “Der psychische Stress, unter dem vor allem kleine Patienten leiden, kann zu einem Spitalstrauma führen bzw. zu der ,Angst vor weißen Mänteln”. Studien belegen, dass psychische Schäden wie Stottern oder Bettnässen die Folge sein können. Auch für uns Erwachsene ist ein Spitalsaufenthalt eine unangenehme Sache, selbst wenn kein schwieriger oder besonders schmerzhafter Eingriff vorgesehen ist.

Versetzen wir uns in die Rolle eines kleinen Kindes, das in keiner Weise versteht, wo es ist, was mit ihm geschieht und warum Mami und Papi es vielleicht in dieser “bedrohlichen” Situation noch dazu alleine lassen. Kein Wunder, dass es in dieser Situation manchmal mit Aggressionen gegen die Eltern reagiert. Kinder empfinden die Trennung als einen von den Eltern verschuldeten Liebesverlust.

Je jünger das Kind ist, rein aus dem Gefühl heraus lebt und sich den positiven Sinn der Krankenhausaufnahme nicht vernünftig klar machen kann, desto schlimmer empfindet es das Krankenhaus. “Vor allem in den ersten zwei Lebensjahren sollten Kinder deshalb keinesfalls alleine im Krankenhaus bleiben”, meint Mag. Doris Figerl vom Verein MuKi (“Mutter und Kind im Krankenhaus”) dazu.

Bei älteren Kindern sei eine Betreuung Tag und Nacht nicht immer in gleichem Maße notwendig. “Manche Kinder bleiben schon mit sechs Jahren lieber alleine im Spital, andere wollen noch mit acht Jahren betreut werden.” Die Entscheidung hänge auch von der Art der Erkrankung ab. Handelt es sich um eine schwere Erkrankung, so sei nicht nur dem Kind durch die Anwesenheit der Mutter geholfen, sondern auch der Mutter selbst.

„Die Eltern kennen die psychische Verfassung ihres Kindes am besten, deshalb sollte auch ihnen die Entscheidung obliegen”, sagt Elisabeth Schausberger vom Verein Kinderbegleitung. So könne es sehr wohl auch Sinn machen, wenn eine Mutter z. B. ihren 28-jährigen, schwerstbehinderten Sohn zur Operation begleitet. Ein einschneidendes Erlebnis ist ein Spitalsaufenthalt in jedem Fall.

“Es ist nicht nur das Alleinsein, das den Kindern Angst macht”, gibt Dr. Voitl zu bedenken. “Im Krankenhaus trifft ein Kind auf viele unbekannte Menschen, die in ihrer medizinischen Routine oft einschüchternd wirken. Es ist für das Kind buchstäblich alles anders: neues Essen, neue Gerüche, fremdartige Geräusche und ein ganz anderer Tagesablauf.”

Gut vorbereitet!

Ist die Spitalsaufnahme nicht überraschend, so ist die Vorbereitung auf den Aufenthalt eine große Hilfe.
Finden Sie mit Ihrem Kind heraus, was in einem Krankenhaus geschieht (z. B. mit Kinderbüchern und Spielzeug-Ärztekoffer).

Binden Sie Ihr Kind in die Vorbereitungen mit ein: Fordern Sie es auf mitzuentscheiden, was es mitnehmen und was es für seine Abwesenheit regeln möchte.

Eine unvorhergesehene Spitalsaufnahme kann nicht nur dem Kind, sondern auch den Eltern einen Schock versetzen.

Sie sollten trotzdem, oder gerade deshalb, Ihrem Kind Ruhe und Sicherheit vermitteln. Es ist sinnvoll sich generell darauf vorzubereiten, dass das Kind eventuell einmal ins Krankenhaus muss. Jedes zweite Kind ist irgendwann betroffen. Wenn Sie ein bisschen über das Thema lesen, sind Sie besser gerüstet.
Versichern Sie Ihrem Kind, dass Sie es nicht alleine lassen werden – sofern dies der Fall ist. Wenn Sie weggehen müssen, sagen Sie genau, wann Sie wiederkommen, und halten Sie sich auch daran. Sagen Sie lieber, dass Sie etwas später wiederkommen, als umgekehrt.

Versuchen Sie Ihrem Kind immer zu erklären, was gerade geschieht und bitten Sie auch das Krankenhauspersonal darum.

Wenn Sie ehrlich zu Ihrem Kind sind, weiß es, dass es sich auf Sie verlassen kann. Es ist daher kein guter Einfall zu sagen, dass etwas nicht weh tun wird, wenn es nicht stimmt. Auf diese Weise wird das Kind sein Vertrauen sowohl zu dem, was gesagt wird, als auch zu der Person, die lügt, verlieren.

Der Aufenthalt

Man wird alles tun, um dem Kind Schmerzen zu ersparen, ganz auszuschließen sind sie jedoch nicht.
Schwierig zu bewältigen ist es, wenn zu den tatsächlichen Schmerzen noch die Angst hinzukommt. Hierfür hilft es, Strategien anzubieten:

Binden Sie Ihr Kind aktiv in das Geschehen ein. Fordern Sie es z. B. auf, so fest Ihre Hand zu drücken, wie es weh tut. Etwas ganz Einfaches geschieht dabei: Ihr Kind muss nicht mehr alles passiv über sich ergehen lassen.

Eine andere Möglichkeit ist den Schmerz sichtbar zu machen. Schlagen Sie dem Kind vor, seinen gerade erlebten Schmerz z. B. anhand von gemalten Gesichtern (lachend bis weinend) zu beschreiben. Damit nimmt der Schmerz Gestalt an und kann mit allen Mitteln bekämpft werden (beschimpft, in eine Schachtel gepackt…).

Beruhigend und ebenfalls schmerzmildernd – belegen neueste Studien – wirkt Musik. Singen Sie mit Ihrem Kind während der Behandlung, oder bitten Sie darum, eine Kassette oder CD auflegen zu dürfen.
In welchem Umfang Sie Ihr Kind über eine Operation aufklären, wird von seinem Alter und seiner geistigen Reife abhängen. Auf die Narkose muss man das Kind auf jeden Fall vorbereiten. Versichern Sie ihm, dass es nachher wieder aufwachen wird. Sagen Sie ihm auch, dass es eine Weile nichts trinken darf, dass es sich zunächst unwohl fühlt und die Wunde anfangs schmerzt. Es gibt heute viele Varianten, wie die Kinder auf die Narkose vorbereitet werden, z. B. eine Einschlafmilch oder ein fruchtiger Saft (anstelle einer ersten Beruhigungs-Spritze) und ein Narkosegas mit himbeerartigem Geruch (Sevofluran).
„Vorteil auf Kinderstationen ist, dass hier das Pflegepersonal die notwendige Ausbildung für einen kindgerechten Umgang mit den Patienten bekommen hat”, hebt Elisabeth Schausberger hervor.
Ein gut verlaufender Krankenhausaufenthalt kann durchaus das Selbstbewusstsein eines Kindes stärken. Manchmal sind Kinder auch richtig beeindruckt von “ihrem” Spital und beschließen während des Aufenthalts selbst Kinderarzt oder –ärztin zu werden.

Wie funktioniert’s

Im Prinzip kann die Mutter heute in jedem österreichischen Spital über Nacht bleiben. Zwar sind noch nicht überall die sogenannten “Mutter-Kind-Einheiten” vorhanden, doch wird in diesen Fällen ein zusätzliches Bett für die Mutter aufgestellt. Die Kosten für die Übernachtung einer Begleitperson sind sehr unterschiedlich. Sie werden in vielen Fällen aber auf alle Fälle von privaten Zusatzversicherungen übernommen.

 

Foto: Monkey Business Images – shutterstock.com

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