Die Welt der Berufe

"Und was sind deine Eltern?" Wie man Kindern einen Einblick ins oft verwirrende Berufsleben gibt.

„Meine Mama ist Friseurin“ oder „Mein Papa ist Tischler“ sind noch recht einfache Antworten, wenn Kinder nach den Berufen ihrer Eltern gefragt werden. Bei „Aktienhändler“ oder „Marketingmanager“ wird es schon schwieriger. Die kindliche Vorstellung davon, was Mama und Papa den ganzen Tag machen, ist oft ungenau, die Kleinen sind verwirrt und unsicher. Was tun meine Eltern, wenn sie nicht bei mir sind? Und warum tun sie das? Warum haben sie keine Zeit für mich, es wäre doch viel gescheiter, wir würden gemeinsam „Mensch-ärgere-dich-nicht“ oder etwas anderes Lustiges spielen!
Anno dazumal war das viel einfacher. Als sich im Mittelalter die Handwerks-Berufe entwickelten, war auch für die Kinder sonnenklar, was die Schneider, Seiler, Weber, Schwertmacher, Müller oder Bäcker den lieben langen Tag taten. Und wenn der Bäcker seine Brote zu klein buk und er in einem Käfig eingesperrt ins kalte Wasser eines Flusses getaucht wurde, war auch für jeden offensichtlich, was das so genannte „Bäckerschupfen“ zu bedeuten hatte. Die Kinder, damals übrigens als „kleine Erwachsene“ angesehen – die Entdeckung der psychologischen und physischen Aspekte der Kindheit erfolgte erst viel später, waren immer live dabei. Die Werkstatt der Handwerker war im unteren Geschoß des Hauses untergebracht, die Familie wohnte oben. Somit waren Arbeits- und Wohnstätte noch unter einem Dach, was die Kinder schon räumlich nicht von der Arbeitswelt ihrer Eltern trennte.

Mama und Papa in ihrer (Berufs-)Welt

Heute kennen Kinder vielfach nicht einmal die Arbeitsstätte ihrer Eltern, geschweige denn ihre Aufgabenbereiche oder Kollegen. Dabei würde das dazu beitragen, dass sich der Nachwuchs ein viel genaueres und damit beruhigendes Bild davon machen könnte, wo Mama und Papa so stecken, wenn sie ihre Zeit nicht mit der Familie verbringen. Nehmen Sie die Kinder, so das seitens des Arbeitgebers gestattet ist, einmal in die Arbeit mit. Vielleicht eignet sich dafür ein freier Tag am besten, an dem sie dem Boss einen kleinen Besuch abstatten, den Kleinen die Räumlichkeiten zeigen, die Kollegen vorstellen. So hat das Kind gleich eine konkretere Vorstellung von Ihrem Leben außerhalb des Zuhause.
Auch Rollenspiele helfen dabei, Ihren Beruf für das Kind transparenter zu machen. Erzählen Sie, was Sie den Tag über machen, was Ihre Aufgaben sind, womit Sie Menschen helfen oder was Sie in Ihrer Sparte bewegen. Spielen Sie vereinfacht Ihren Alltag nach bzw picken Sie sich einzelne Tätigkeiten heraus, die Sie einem Kind nahe bringen können. Ihr Kind wird vielleicht weiterhin nicht in allen Details verstehen, was Sie tun, aber zumindest eine Idee davon haben. Und es wird ein Gefühl dafür entwickeln, warum es wichtig ist, dass Mama und Papa manchmal Zeit mit anderen Aufgaben verbringen und sich nicht ausschließlich ihm widmen können. Dabei ist natürlich auch das Geldverdienen ein wichtiger Grund, den man nicht zu verschweigen braucht, aber das sollte gegenüber dem Kind nicht allein im Vordergrund stehen. Sie haben ja bestimmt auch Freude an Ihrem Job, diese gilt es dem Kind als Motivation für die Arbeit schon früh zu vermitteln. Und wenn Sie keinen Spaß an Ihrem Beruf haben, wird es Ihnen ein umso größeres Anliegen sein, Ihrem Kind bei der Berufswahl so zur Seite zu stehen, dass dieses im Gegensatz zu Ihnen sehr wohl seine Berufung findet.

Qual der Wahl

Bei manchen Kindern lassen sich schon sehr früh Neigungen und Interessen feststellen. So lebt ein Kind seine Kreativität beim hingebungsvollen Malen von Bildern voll aus, während ein anderes am liebsten Schnecken und Regenwürmer beobachtet und Kristalle züchtet und das nächste durch seine besondere soziale Ader auffällt. Berufswünsche lassen sich daraus in den meisten Fällen noch keine ablesen, Kinder die sehr früh feststellen, dass sie Weltraumfahrer oder Kindergärtnerinnen werden wollen, ändern meist noch sehr oft ihre Meinung. Aber dennoch lohnt es sich, die Vorlieben der Kinder zu beobachten und den Nachwuchs dementsprechend zu fördern. Und: Ihm die Möglichkeit zu geben, sich zu entwickeln und zu entfalten.
In „Werde das, was zu dir passt. Vom Traum zum Beruf“ schreibt Michalis Pantelouris: „Dein Berufsleben kommt auf dich zu, eines der großen Abenteuer deines Lebens. Stell dir nur einmal vor, du kannst dein Leben lang etwas machen, das dich erfüllt und glücklich macht – und du wirst auch noch dafür bezahlt! Das geht. Wenn man ein paar Dinge richtig macht. Es ist nicht unbedingt einfach, aber es ist machbar, wenn du herausfindest, was dich wirklich ausmacht.“
Text: Anna Heisinger
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