Haarverlängerung

Tja, ich an ihrer Stelle wäre wohl einsam in meinem Gefängnis verrottet. Nicht ohne Grund hatten mir meine lieben Geschwister den Spitznamen “Glatzi” verpasst, der dann in den folgenden Jahren zu “Flaumi” mutierte, was auch nicht viel besser war.

Was habe ich nicht alles versucht um meiner Haarpracht zu mehr Fülle zu verhelfen? Dauerwelle in den Achtzigern, Stufenschnitt in den Neunzigern und föhnen, föhnen, und nochmals föhnen. Doch kaum verlasse ich das Haus, fällt dieses luftige Gebilde meiner Frisur wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Lange Haare sind für mich praktisch unmöglich, weil ich dafür einfach nicht genug Dichte aufbringe und die Ohren sanft im Gegenlicht durchschimmern.

Auch dieses Mal habe ich deshalb der beginnenden Ballsaison wieder mit gemischten Gefühlen entgegengesehen: Während die Damen der Society mit üppigen Dekolletés und noch üppigeren Hochsteckfrisuren über das Parkett walzen, muss ich aufpassen, dass meine schmucken Strasshaarspangen nicht jeglichen Kontakt zu meiner Frisur verlieren.

Doch Hilfe nahte! In einer Presseaussendung über Echthaar-Verlängerung und -Verdichtung konnte ich die Lösung meines haarigen Problems erahnen. In nur zwei Stunden von der Kurzhaarfrisur zur wallenden Mähne à la Lorelei hörte sich ganz nach meinem Geschmack an. Ich beschloss, mir selbst zu Weihnachten einfach eine neue, nie dagewesene Haarpracht zu schenken.

Spenderhaare gesucht

Gesagt – getan: Nach der Terminvereinbarung beim Hairdreams-Center geht alles ganz schnell. Ungefähr fünf Tage bevor ich “meine” neuen Haare bekomme, schaue ich zur Beratung im Studio vorbei um Länge und Farbe meiner neuen Frisur zu besprechen. Dabei wird auch meine Haarstruktur genau analysiert um möglichst passende “Spenderhaare” zu finden.

Ich erfahre, dass es zwei Qualitäten von Haarsträhnen zur Verlängerung gibt: Die Basic-Variante stammt von Inderinnen, die zwar sehr schöne Haare haben, jedoch eine andere Struktur als die von Europäerinnen aufweisen. Die Special-Qualität kommt von weißen Frauen, was keinerlei rassistische Gründe hat, sondern vielmehr höchstmögliche Übereinstimmung garantiert. Weil ich es mir Wert bin, entscheide ich mich natürlich für die Special-Variante.

Bis zu meinem Verlängerungstermin werden jetzt “meine” neuen Haare in der Zentrale in Graz sortiert, gleichgerichtet (Kopf zu Kopf, Spitze zu Spitze), gefärbt, mittels Computer kontrolliert und mit einer Verbindung, dem sogenannten Bonding, versehen. Diese Bondings bestehen aus einem Polymer, ähnlich dem Material, das bei Damenstrümpfen verwendet wird. 

 
Haarträume werden wahr

Als es endlich so weit ist, bin ich schrecklich aufgeregt: Werden mir lange Haare überhaupt passen, werde ich damit zurechtkommen, was sagen mein Mann, meine ArbeitskollegenInnen dazu…? Im Hairdreams-Center geht es dann gleich zu Sache: Meine Haare werden mit einem Separator in viele, gleich feine Strähnen geteilt. Die Bondings der neuen Strähnen werden mit einer Thermopinzette erwärmt und durch Fingerdruck ca. 1,5 cm vom Haaransatz entfernt an das Eigenhaar aufmoduliert. Das Deckhaar bleibt frei, damit es über die Verbindungsstellen fällt. Die Strähnen werden so befestigt, dass die Bondings auch unsichtbar sind, wenn man zum Beispiel einen Zopf tragen möchte oder die Haare hochsteckt.

Die Arbeit selbst ist natürlich eine ziemliche Pitzelei und dauert ca. zwei Stunden. Als alle Strähnen befestigt sind, geht es nochmals an die Feinabstimmung der Farbe. Wir stellen fest, dass meine Haare etwas dunkler als die Extensions sind. Also werden die Haare nochmals gefärbt um ein einheitliches Ergebnis zu erhalten.

Der richtige Schnitt ist entscheidend

Um den Übergang der eigenen Deckhaare zu den Verlängerungen so natürlich wie möglich zu gestalten, werden die trockenen Haare mit dem Messer durchgestuft. Die eigenen Deckhaar-Spitzen werden etwas ausgedünnt um einen sanften Verlauf zu erzeugen, bis alles völlig natürlich aussieht. Das Schneiden und Föhnen ist eher unangehnem und zupft ziemlich an der Kopfhaut. Sonst fühlt sich die Fülle aber sehr natürlich und gar nicht schwer an.

Um wirklich lange Freude mit den Extensions zu haben, bekomme ich noch genaue Instruktionen, wie die Haare zu pflegen sind. Wichtigstes Ritual ist das tägliche Bürsten der Haare.

Dazu werde ich mit einer speziellen Bürste ausgerüstet, grundsätzlich kann man aber alle Bürsten ohne Noppen verwenden. Da die Verlängerungen keinerlei Verbindung zur Wurzel haben und nicht von dort “ernährt” werden können , brauchen sie eine Extraportion an Pflegestoffen. Zum Haarewaschen gibt es daher ein Spezial-Produkt genauso wie für die Pflege danach.

Ebenfalls enorm wichtig ist der “Reinigungsschnitt” jede sechs bis acht Wochen. Die Haare, die man täglich durch den natürlichen Haarausfall verliert, fallen nicht einfach herunter, sondern bleiben durch die Bondings hängen. Beim Reinigungsschnitt werden diese toten Haare entfernt und die Verbindungen kontrolliert.

“Haltbarkeit” und Pflege

Wie viele Monate die Extensions getragen werden können, hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: Einerseits, wieviel Haare man pro Tag durch natürlichen Haarausfall verliert und andererseits, wie schnell die Haare wachsen.

Wenn pro Tag relativ viele Haare ausgehen, verlieren die eigenen Strähnen, an denen die Extensions aufmoduliert sind, bald an Dichte und dünnen aus. In diesem Fall müssen die Verlängerungen vielleicht schon nach drei Monaten entfernt werden, bevor sie locker werden. Im Normalfall können sie aber gute sechs Monate getragen werden, bevor dieser Fall eintritt.

Zum Entfernen werden die Bondings einfach mit einer alkoholischen Lösung befeuchtet, die die Polymer-Verbindung auflöst. Anschließend können die Strähnen dann ganz einfach abgezogen werden. Die eigenen Haare bleiben durch den Vorgang völlig unbeschädigt. Nach dem Waschen sehen sie genauso aus wie vorher.

Wenn man sich für die Special-Qualität entscheidet, können die abgelösten Echthaar-Strähnen wieder eingeschickt, aufbereitet und mit einem neuen Bonding versehen, ein weiteres Mal verwendet werden.

Handling

Ich selbst gefalle mir sehr gut, bin aber doch von dem Aufwand beim Haarewaschen und Föhnen überrascht. Obwohl es sich bei meinen Extensions grundsätzlich um glattes Haar handelt, sind doch beachtliche Wellen darin. Die sind mindestens so widerspenstig wie meine eigenen und daher schwer glatt zu föhnen. Erst ein weiterer Besuch beim Frisör und noch einige Stufen mehr bringen hier deutliche Entlastung beim Handling.
Aber selbst wenn das Föhnen jetzt länger dauert, die reichliche Haarfülle birgt auch viele Vorteile. Die Frisur hält auch widrigen Bedingungen stand. Selbst nach dem Fitness-Studio oder ausgiebigem Jogging schauen die Haare noch tipp-topp aus und fallen nicht zusammen. Dadurch beschränkt sich der tägliche Stylingaufwand natürlich auf ein Minimum. In der ersten Woche nach der Haarverlängerung ist das Liegen auf den Bondings unangenehm. Dieses Gefühl vergeht aber nach ein, zwei Wochen, da die Haare ja wachsen und sich die Bondings auf diese Weise etwas vom Haaransatz entfernen.

Außerdem – was sind diese kleinen Unannehmlichkeiten schon gegen das lang ersehnte Rapunzel- und Barbie-Feeling. High-Heels trägt man schließlich auch nicht, weil sie so wahnsinnig bequem sind… Schönheit muss eben ein bisschen leiden – sonst wäre sie ja auch nichts wert, oder?

Ist jedes Haar für eine Haarverlängerung geeignet?
Ja, je nach Ausgangslänge und Struktur gibt es verschiedene Möglichkeiten. Allerdings sollte das Deckhaar zumindest 10 cm lang sein, damit die Verbindungsstellen abgedeckt sind.

FAQ zur Haarverlängerung

Was kostet eine Haarverlängerung?
Je nach Länge und Struktur kostet eine Verlängerung und Verdichtung zwischen 250 EUR und 900 EUR.

Können die Haarsträhnen chemisch behandelt werden?
Die Hairdreams-Haare eignen sich genauso wie die eigenen Haare für eine Dauerwelle, Färbung oder Tönung.

Schadet die Verlängerung dem Eigenhaar?
Die Extensions werden mit einem Thermoplast am Eigenhaar durch ein spezielles System so befestigt, dass selbst feines und empfindliches Haar nicht geschädigt wird.

Foto: Stas Tolstnev – shutterstock.com