So wie du isst, ess ich auch!

Wenn Kinder scheinbar zu wenig, zu viel oder zu einseitig essen, verzweifeln Eltern. Doch mit einigen Tricks kann der Nachwuchs für sein ganzes Leben positiv beeinflusst werden.

„Wie oft in der Woche wird gemeinsam gegessen? Will ich, dass mein Kind eine andere Figur hat als Vater oder Mutter? Kennt es zehn verschiedene Gemüsesorten und die Speisen die man damit zubereiten kann? Kochen wir ab und zu gemeinsam? Hat mein Kind Freunde? Darf es die auch nach Hause einladen? Hat es Spaß an Bewegung und Spielen?“ geht Dr. Luzia Rötzer-Keppel die Checkliste für Eltern durch. Wenn es um Essen und Sport geht, lernen Kinder vor allem von den Großen. Wächst das formbare Wesen im Schosse einer gesundheitsbewussten Familie auf, wird das Essverhalten entsprechend positiv geprägt. 

Essen will gelernt sein

Kinder müssen eigenständig die Bedeutung von Hunger und Völlegefühl erlernen. Daher es ist normal, wenn die Kleinen zeitweise scheinbar zu wenig oder zu viel essen und manchmal sogar befremdliche Vorlieben entwickeln. „Solange diese Phasen nicht zu lange andauern, rate ich zur Geduld. So können Kinder Selbstbestimmung lernen.“, beruhigt Dr. Rötzer-Keppel. Ebenfalls normal in der Wachstumsphase ist es, wenn Kinder mal dicker bzw. dünner werden. Wichtig ist, dass das Kind allgemein fit und gesund wirkt.
Die Aufgabe der Eltern beschränkt sich somit darauf, ein entwicklungsförderliches Umfeld zu schaffen. Machtkämpfe am Esstisch sollten daher um jeden Preis vermieden werden. Einfacher gesagt als getan! Amerika’s First Lady Michelle Obama versteht die Herausforderung: „Den Job behalten, Kinder zur Schule bringen, Hausübungen kontrollieren, sie zu ihren Freizeitaktivitäten bekommen und dann noch einkaufen gehen und kochen?“ Im Kampf gegen Adipositas, hierbei handelt es sich um starkes Übergewicht, hat sie in den USA die Initiative ‚Let’s Move’ ins Leben gerufen. Diese baut darauf dass Eltern, Schulen, die Lebensmittelindustrie und Regierung effektiv zusammenarbeiten.
Nicht zuletzt sollten einige Grundprinzipien für eine ausgewogene Ernährung beachtet werden. Naschen ist zwar erlaubt, aber in Maßen. “Ich glaube, vielen Eltern ist nicht bewusst, wieviel Junkfood ihre Kinder eigentlich essen und trinken.”, meint der britische TV-Koch Jamie Oliver, jahrelanger Verfechter für eine gesündere Ernährung.

Leben im Überfluss

Gefährlich wird es, wenn es sich zunehmend nur noch ums Essen dreht und das Kind massiv zu- oder abnimmt. Obwohl Magersucht und Bulimie oft erst während der Pubertät zum Thema werden, der Grundstein für diese Erkrankungen wird bereits in jungen Jahren gelegt. Übergewicht oder Adipositas dagegen sind vermehrt schon bei Kleinkindern ein Problem. Laut Ernährungsbericht 2008 sind 19% der österreichischen Schüler zwischen 6 und 15 Jahren übergewichtig oder adipös. Nahrungsmittelüberfluss und unrealistische Schönheitsideale tragen sicherlich wesentlich zu dieser Problematik bei. Weitere Gründe können körperliche Erkrankung, Trauer, Einsamkeit, Wut, Verletzung, hohe Leistungsansprüche oder Kontrollbedürfnis sein.
Dr. Rötzer-Keppel erklärt: „Eine Essstörung bei Kindern ist oft kein einheitliches Bild. Es ist ein Symptom, wie Fieber. Als Elternteil und wenn es länger andauert als zugezogene Kinderärztin muss man sich auf die Suche nach den Ursachen machen. Essen befriedigt ja nicht nur auf Grund der hungerstillenden Wirkung, sondern erfüllt soziale Bedürfnisse, bietet sinnlichen Genuss, angenehme taktile Reize, Essen beruhigt.“
Brigitte Lenhard-Backhaus, Gründern und Beraterin von ‚intakt’, einem Therapiezentrum für Menschen mit Essstörungen, empfiehlt: „Erstmal hellhörig werden, ohne das Essen in den Fokus zu rücken. Eltern sollten nachfragen, wie es zum Beispiel in der Schule geht, wie es um Freundschaften steht. Es gilt zu klären was für ein unterschwelliges Problem das Kind hat.“ Denn jeder Essstörungsfall ist anders. Das bestätigt auch ‚Rat auf Draht’-Berater Christoph Natschläger, er weiß: „Es gibt keine raschen Lösungen, es gibt keine Patentrezepte.“ Um gegen ungesunde Essgewohnheiten effektiv anzukommen, müssen alle an einem Strang ziehen und gegebenenfalls professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Dr. Rötzer-Keppel rät: „Die Umstellung muss langsam, in kleinen Schritten erfolgen, und vor allem gemeinsam mit der Familie.“ 
Text: Derya Efe
Fotos: Monkey Business Images by Shutterstock.com

Drei Denkanstöße zum Thema Essstörungen
Dr. Doris Bach, Kinder- und Jugendpsychologin

Übergewicht ist ein Symptom unserer Zeit!

Übergewicht und Adipositas in der Kindheit und Jugend war lange Zeit ein vernachlässigtes Thema. Mittlerweile hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es sich dabei keinesfalls um ein vorübergehendes Phänomen handelt. Vor allem in den „reichen“ Ländern ist das Problem seit den 80ern aktuell. Das Übergewicht setzt altersmäßig immer früher ein. Studien belegen, dass dicke Kinder tendenziell immer dicker bleiben. Zu den wichtigsten Faktoren, die mit Übergewicht und Adipositas assoziiert sind, zählen sicherlich neben genetischen Komponenten die Stilldauer im Säuglingsalter, die Ernährungsgewohnheiten, die Esskultur, die Herstellungsweisen der Nahrungsmittel, das soziale Umfeld, der Bildungsstand und der Bewegungsmangel durch vermehrt sitzende Tätigkeiten (Schule, Computerspiele, Fernsehen). Der Geschmackssinn wird von der Geburt an geprägt. So sind Säuglinge darauf ausgerichtet, eine lauwarme süßlich schmeckende Nahrung anderen Geschmacksrichtungen zu bevorzugen. In dem Moment, wo Kinder zugefüttert werden, bilden sich neue Erfahrungen aus und der Geschmacksinn wird immer stärker entwickelt. Daher sind Ernährung und Essen, sowie daraus resultierend „Essstörungen“ kein Thema, das erst im Schulalter wichtig wird, sondern ein Thema, das sehr früh geprägt wird. Hilfreich bei der Ernährung ist immer ein „Miteinander“. Daher ist die Vorbildwirkung der Eltern und Bezugspersonen von großer Bedeutung.

Worauf Sie achten sollten:

Einmal am Tag eine gemeinsame, frisch gekochte Mahlzeit einnehmen.
Eine ausgewogene Ernährung mit ausreichenden Vitaminen (Früchten, Obst), Eiweiß (Fisch,         Fleisch, Milch, etc) und gelegentlich Kohlehydrate bieten.
Regelmäßig auch im Alltag Bewegung machen (z.B. Stufen, Strecken zu Fuß gehen).
2-3 Mal pro Woche eine sportliche Aktivität von mindestens einer Stunde einplanen.

Die gute Mitte finden

Kinder im Alter zwischen 9 -11 Jahren neigen naturgemäß dazu, ihren Körper etwas zu füllen. Dies erscheint von der Natur auch sinnvoll, da meist darauf ein Wachstumsschub erfolgt. Doch gilt es, wachsam zu beobachten, ob es sich um eine geringe Gewichtszunahme oder um ein krankhaftes Übergewicht handelt. Der Kinderarzt oder ein Ernährungsexperte kann darüber Auskunft geben. Die psychosozialen Aspekte des Übergewichtes und der Adipositas spielen in Kindheit und Adoleszenz eine wichtige Rolle und stehen für die Betroffenen im Vordergrund. Kinder werden öfter von anderen deswegen geärgert und meist leidet auch das Selbstwertgefühl. Vermehrte Aggression oder ein zunehmender Rückzug bis hin zur Isolation sind dann die Folge. Menschen, die in ihrer Kindheit oder Jugend ein Essproblem hatten, neigen dazu, ein Leben lang mit ihrem Körperschema zu kämpfen. Daher empfehle ich, rechtzeitig Rat einzuholen um rasch Maßnahmen ergreifen zu können und damit dem Kind oder Jugendlichen ein gesundes Heranwachsen zu ermöglichen.

Nasch-1×1

  • Süßigkeiten sollten niemals als Belohnung oder Trostspender dienen, stattdessen Spielen oder in den Arm nehmen
  • Einmal mehr naschen statt pausenlos naschen
  • Nichts verbieten, denn das macht die Nascherei nur interessanter oder führt sogar zum heimlichen Konsum – Urteilbildung erlauben und Alternativen bieten
  • Kariesfördernde klebrige, süße Speisen (z.B. Karamellbonbons, Honig, Bananen) mit Vorsicht genießen
  • Zu ordentlichem Kauen motivieren – Speichelfluss schwemmt Lebensmittelreste und schädliche Säuren weg und versorgt Zähne mit wichtigen Minderalstoffen

Anlaufstellen bei Essstörungen

Essstörungs-Hotline
Beratungshotline für Betroffene, Eltern und Angehörige
Tel.: 0800 20 11 20
intakt
Therapiezentrum für Menschen mit Essstörungen
1090 Wien, Grundlgasse 5
Tel.: 01 228 87 70
Rat auf Draht
Telefonberatung für Kinder und Jugendliche
Tel.: 147
sowhat
Beratungsstelle für Menschen mit Essstöerungen
1150 Wien, Gerstnerstraße 3
Tel.: 01 406 57 17
Spezialambulanz für Essstörungen im Kindes- und Jugendalter
1090 Wien, Währinger Gürtel 18-20
Tel.: 01 40 400-3015
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