Mama, ich will …

Sie werfen sich auf den Boden, schlagen schreiend um sich – und flugs haben sie, was sie wollten: den Lolli von der Supermarktkassa, eine Stunde mehr am Spielplatz…

„Bist du aber ein tüchtiger Bub!“

Gerade noch hat der vierjährige Tommy eine ältere Dame mit Einkaufswagen zu Ausrufen der Entzückung verleitet, da erspäht er das Regal mit den Gummibärchen. „Mama, kaufst du mir …?“ Die Angesprochene reagiert nicht augenblicklich, Tommys Ton wird schneidend: „Mamaaaaa, ich will …!“ Schlagartig konzentrieren sich die Blicke der Umstehenden auf das Geschehen. Peinliche Momente im Leben einer Mutter – oder einfach Alltag in der Erziehungsfalle?

Und aus?

Sohnemanns erste Plombe ist gerade erst zwei Tage jung, zu Hause wartet schon das Mittagessen, heißt: Mama ist klar gegen Gummibären & Co. Statt das unmissverständlich auszudrücken, stellt sie – wie in letzter Zeit häufig – Tommy eine Frage: „Hast du nicht schon genug von dem Zeug gegessen?“ Postwendend kommt, wie erwartet, ein heftiges „Biiiitte! Warum nicht?“.

Da Tommys Mutter spürt, dass sie mit der Frage-Strategie nicht durchgedrungen ist, versucht sie nun die Sache einfach „abzudrehen“: „Weil ich es sage, deshalb! Und aus!“ Und aus? Mitnichten. Tommy lässt sich sofort auf den Boden fallen und trommelt das ewige Lied des zornigen Kindes auf den Boden zwischen den Regalen.

Erziehungsfallen im Kombipack

Just in diesem Moment bahnt sich die Liebste aller Nachbarinnen den Weg durch die neugierige Menge … „Na gut, aber sonst gibt’s nichts!“, greift Mama schnell zu einer Kombipackung der bunten Objekte der Begierde und wirft sie in den Einkaufswagen. Apropos „Kombipack“: Tommys Mutter ist soeben geradezu lehrbuchmäßig gleich in zwei häufige Erziehungsfallen getappt – in die allseits beliebte Na-gut-Falle und in die Eskalationsfalle.
Euer Nein sei ein Nein!

Oft braucht es aber gar nicht erst einen Tobsuchtsanfall. Auch mit einem ausreichenden Maß an Beharrlichkeit kommen Kids irgendwann ans Ziel, das da heißt: Mamas oder Papas „Nein“ zu einem „Ja“ umkehren … Kinder lernen unglaublich schnell, im Positiven wie im Negativen. Wird ihnen einmal ein Wunsch erfüllt, wenn sie nur lange genug betteln, und ist ihre Beharrlichkeit auch beim nächsten und übernächsten Mal von Erfolg gekrönt, wissen sie spätestens jetzt: Betteln bringt’s! Wenn Kinder also trotz abschlägiger Antwort immer wieder auf ihrem Wunsch beharren („Biiiitte, Mama, biiiitte!“), haben sie nicht nur schnell gelernt; sie zeigen auch, dass sie ein einmal ausgesprochenes „Nein!“ – und damit die Person, aus deren Mund es kam – nicht mehr ernst nehmen …
Schnelle Routine oder: Fortsetzung folgt

Manche Kids gehen mit dem „Nicht-mehrernst- Nehmen“ noch weiter: Sie steigern sich in die Rolle des unnachgiebigen Bettlers hinein, bis die Situation eskaliert! Aus Tommys Blickwinkel hatsich die Eskalation ausgezahlt: Erstens hat sich ein spontan geäußerter Wunsch (der nach Gummibären nämlich) erfüllt. Zweitens hat er sich erfüllt, obwohl – halt: weil! – Tommy ausgerastet ist. Seinem Tobsuchtsanfall folgte ganz offensichtlich eine Belohnung … Was schließt das Kind aus so einer Situation? „Aha! So geht das! Wenn man tobt, gewinnt man. Cool!“ Klar, dass das eindeutige „Fehlverhalten“ im kindlichen Denken von nun an prompt positiv besetzt ist: Der Zornausbruch war gut – gut im Sinne von erfolgreich und damit akzeptabel. Das Kind hat gelernt, Macht auszuüben … Und es ist aus gutem Grund motiviert, den neu erlernten, lautstarken Trick bald wieder anzuwenden. Mit typisch kindlicher Handlungsorientierung wird rasch auf Routine umgestellt. Je öfter das gut geht, umso häufiger lassen es die lieben Kleinen krachen – und umso mehr hört man die Eltern klagen: „Mein Kind ist unmöglich! Dauernd rastet es aus, wenn es etwas nicht gleich bekommt!“

Sieg oder Niederlage – das ist hier die Frage!

Noch schneller schnappt die Eskalationsfalle zu, wenn wir selbst „eskalieren“, sprich: gleich laut werden, vielleicht sogar toben. Werden Kinder angebrüllt, geben sie meist schnell nach; ihr momentaner Wille ist gebrochen. Der Elternteil hat einen „Sieg“ eingefahren – allerdings einen mit problematischen Folgen. Denn jetzt ist es am Kind, die Belohnung auszuteilen: indem es nämlich mit Nachgeben auf das Fehlverhalten der Eltern reagiert. Auch Eltern stellen schnell auf Routine um: „Aha, mit Anbrüllen funktioniert es also. Dann muss ich künftig immer laut werden!“ Kein Wunder, wenn sich die Eskalationsfalle in immer kürzeren Abständen auftut …

Streit-Fall Streng-Sein

Kann die von vielen scheel beäugte Strenge eine Lösung für all das sein? „Streng-Sein“ bedeutet nichts anderes als für das, was man sagt, Verantwortung zu übernehmen. Bevor Mama oder Papa etwas sagen, gilt es einen Augenblick innezuhalten und zu überlegen: Was fordere ich von meinem Kind ein? Wie stelle ich mir sein Verhalten in der momentanen Situation vor? Und erst dann sollten sie sagen, was sie konkret von ihrem Kind wollen. Einmal gesagt, gibt es – will man die Glaubwürdigkeit nicht verlieren – kein Zurück mehr. Übernehmen Sie also Verantwortung für das, was Sie sagen … aber auch für das, was Sie nicht sagen!

Links
www.kiddycoach.or.at

Ing. Gerhard Spitzer

 

Foto: Ilike – shutterstock.com

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