Gewusst wie

Die von Samuel Hahnemann begründete Homöopathie baut auf zwei Theorien auf. Die erste besagt, dass eine Arznei, die bei gesunden Menschen ein ähnliches Leiden hervorrufen kann wie die zu therapierende Krankheit, auch die Heilung bewirkt. Die zweite ist die sogenannte Potenzierung: Extreme Verdünnung des meist aus Pflanzen, aber auch aus Tieren, Mineralien oder Metallen gewonnenen Wirkstoffes mit gleichzeitiger mechanischer Bearbeitung wie Schütteln und Reiben soll die Heilkraft erst hervorbringen. Aber gerade diese Potenzierung stößt bei Schulmedizinern auf Skepsis. Die Verdünnung bei homöopathischen Medikamenten ist so groß, dass sich die heilenden Stoffe im eigentlichen Präparat kaum oder gar nicht mehr nachweisen lassen.

Und es wirkt doch

Also alles Humbug mit der Homöopathie? Dagegen sprechen Erfahrungen aus der Praxis. Auch viele Ärzte, die das Heilverfahren im schulmedizinischen Umfeld einsetzen und nicht blind an irgendwelche „geheimnisvollen Kräfte“ glauben, bestätigen, dass Homöopathie wirkt. Universitätsprofessor Dr. Michael Frass von der Medizinischen Universität Wien ist einer von ihnen. Der Internist arbeitet an der Klinik für Innere Medizin I des AKH, er leitet die Spezialambulanz „Homöopathie bei malignen Erkrankungen“. Frass hat sehr gute Erfahrungen mit homöopathischer Therapie gesammelt und sieht diese auch durch Untersuchungen bestätigt: „Es gibt eine große Zahl von Studien und Analysen, die sehr wohl zeigen, dass Homöopathie wirkt“, sagt Frass.

Mehrere Analysen sollen „sehr gute Ergebnisse für die Wirksamkeit der Homöopathie“ zeigen, darunter auch welche, die nach den Regeln kontrollierter klinischer Studien durchgeführt wurden. Dabei wird – vereinfacht ausgedrückt – das Arzneimittel an einer möglichst großen Gruppe von Personen getestet, eine gleich große Kontrollgruppe erhält ein nicht wirksames Placebo. Weder Ärzte noch Patienten wissen, wer das Medikament und wer das Placebo einnimmt.

Die Schwierigkeiten mit Studien

Tatsächlich seien ja solche klassischen klinischen Studien, meint Frass, für die Untersuchung der Wirksamkeit der Homöopathie nicht ideal geeignet. Denn hier werde nicht – wie in der Schulmedizin – mit einem auf die Krankheit, sondern mit einem auf den ganzen Menschen und seine Beschwerden individuell abgestimmten Mittel behandelt: „Eine homöopathische Therapie in ihrer höchsten Form lässt sich nur am einzelnen Patienten ermitteln. Jeder Patient ist mit seinen Beschwerden unvergleichlich“, erklärt Dr. Frass ein Prinzip der Homöopathie und meint weiter: „Außerdem haben einige klinische Studien eindeutig gezeigt, dass hochpotenzierte homöopathische Substanzen mehr als Placebos können.“ Dagegen, dass hinter dem Heilungserfolg der Homöopathie ein Placeboeffekt steckt, spricht seiner Meinung nach auch, dass dieser nur während der Behandlung mit dem vermeintlichen Heilmittel gegeben ist: „Hört man mit dem Placebo auf, sind die Beschwerden wieder da, bei der homöopathischen Behandlung dagegen erzielen wir eine anhaltende Heilung.“

Wie Homöopathie wirken könnte

Dass die Wirkungsweise von Mitteln, in denen sich theoretisch kein Molekül des Wirkstoffes befindet, nach wie vor ein Rätsel ist, gesteht auch Universitätsprofessor Frass ein: „Hier sind noch viele Forschungsarbeiten erforderlich“, meint er.

Homöopathen nehmen an, dass die Information über die Heilwirkung in irgendeiner Form in der verdünnten Lösung enthalten ist. Hinweise, dass hinter dieser Theorie ein noch unentdecktes physikalisches oder chemisches Phänomen stecken könnte, liefert ihrer Meinung nach unter anderem eine Arbeit des Schweizer Louis Rey. Er hat mittels Thermolumineszenzverfahrens gezeigt, dass auch hochpotenzierte Substanzen physikalische Eigenschaften beibehalten können.

Wo Homöopathie wirkt

Sehr gute Erfolge erzielt Frass mit Homöopathie bei wiederkehrenden entzündlichen Erkrankungen aller Art sowie bei Verhaltensauffälligkeiten. Der Intensivmediziner setzt sie auch bei Krebs- sowie bei Intensivpatienten ein, aber nicht als alleiniges Mittel, „sondern als Begleitung, um den Patienten zu unterstützen und zu helfen, dass sich der Körper rascher erholen kann“. Frass betont, dass Homöopathie die Schulmedizin keinesfalls ersetzt, sondern eine Ergänzung ist: „Eine guter Arzt wird nicht auf eine einzige Methode setzen, sondern die anwenden, die im Augenblick die passende für den Patienten ist.“

Ähnlich sieht auch der Salzburger Kinderarzt Holger Förster den Nutzen der Homöopathie. Er hat bei grippalen Infekten, Verhaltensstörungen, Allergien und Asthma sehr gute Erfahrungen mit Homöopathie gemacht. Sein Resümee: „Bei Infekten wirkt Homöopathie mindestens gleich gut, wenn nicht besser als Medikamente der Schulmedizin. Bei Allergien setze ich sie begleitend ein und kann dadurch klassische Medikamente reduzieren.“

Wie Homöopathie eingesetzt wird

In Österreich ist die homöopathische Behandlung dem Arzt vorbehalten. Das ist auch gut so, meinen Frass und Förster, da blindes Vertrauen in die Homöopathie mitunter problematisch sein kann. Förster weiß etwa vom Fall eines Kindes, das nach mehrtägiger erfolgloser homöopathischer Behandlung von Bauchschmerzen in seine Ordination kam. Bei der Untersuchung stellte sich heraus, dass das Kind eine Blinddarmentzündung hatte und dringend operiert werden musste. Eine genaue ärztliche Diagnose unter Nutzung aller Methoden von Blutanalyse bis zu Ultraschall stellt daher für ihn auch bei Homöopathie die Grundlage der Therapie dar.

Ergänzend dazu setzt sich der Arzt intensiv mit dem Kind und seinen Eltern auseinander. Krankheiten haben, sind Homöopathen überzeugt, vielfältige Ursachen; auch Stress, Lebensweise, mangelnde Fürsorge usw. tun ihre Wirkung. „Ein Schulmediziner greift bei Schnupfen reflexartig zum entsprechenden Präparat, egal, ob das Kind weinerlich, grantig oder unbeeindruckt ist. Ich interessiere mich für sein Verhalten, für den Charakter des Schnupfens, ob kaltes Wetter, Überanstrengung oder etwas anderes eine Rolle spielen, und wähle danach das homöopathische Präparat“, so Kinderarzt Holger Förster.

Skeptisch sieht Förster deshalb auch homöopathische Komplexmittel oder den Einsatz von Präparaten aufgrund einer Liste mit Krankheitsbildern: „In einzelnen Fällen wie bei Koliken kann das durchaus wirken. Aber grundsätzlich sollte die Homöopathie den Bedürfnissen und Symptomen des Kindes angepasst sein, dann wird sie Erfolg bringen“. Und Erfolg bringt Homöopathie offensichtlich wirklich – richtig eingesetzt und bei bestimmten Erkrankungen.

Titelfoto: filmfoto/Shutterstock.com

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