Adoption: Familienglück auf Umwegen?

„Es hat eine Zeit lang gedauert, aber am Ende haben wir uns – nach reiflicher Überlegung – und vielen Diskussionen dazu entschlossen, dass wir ein Kind adoptieren wollen“, erzählt Fritz Weber.

Satte 10 Prozent aller mitteleuropäischen Paare benötigen länger als zwei Jahre, um ein Kind zu bekommen. Eines von 25 bis 30 Paaren bleibt ungewollt kinderlos.
Ein möglicher Weg den Kinderwunsch zu erfüllen, ist eine Adoption oder die Aufnahme eines Pflegekindes. Allerdings: In Österreich gibt es viel mehr Paare, die sich ein Kind wünschen, als Kinder, die zur Adoption freigegeben werden. Wurden im Jahr 2002 von den Jugendämtern noch 174 Adoptionsvermittlungen gezählt, waren es 2018 nur mehr 99 (Quelle: hier). Wegen des großen Interesses müssen Adoptivwerber mit einer Wartezeit von mindestens zwei bis drei Jahren rechnen, bei manchen klappt es gar nie. Dass liegt unter anderem auch am österreichischen System der Vermittlung. Adoptionen – vor allem anonyme – werden sehr häufig schon in den Spitälern in denen die Kinder auf die Welt kommen eingeleitet. Lebt ein adoptionswilliges Paar in einem Bezirk in dem es kein Krankenhaus gibt, so schwinden die Chancen auf die Adoption eines Babys deutlich.

Des einen Leid, des anderen Kindersegen

„Vor allem Frauen, selten Paare, geben ihre Kinder zur Adoption frei. Die Gründe dafür sind zum einen nicht vorhandene soziale oder finanzielle Ressourcen, keine Wohnmöglichkeit, keine Unterstützung durch Familie oder Partner. Viele schwangere Frauen fühlen sich aber auch aufgrund von massiven Suchtproblemen oder psychischen Problemen mit der Betreuung eines Kindes schlichtweg überfordert. Die Adoptionsfreigabe ist dabei stets eine 100 Prozent freiwillige Sache, die leibliche Mutter muss dazu wirklich entschlossen sein und vor allem stehen können.“ So Leonie Coufal, Sozialarbeiterin im Referat für Adoptiv- und Pflegekinder (MA 11). Zum Leidwesen vieler kinderloser Paare kommt dies in Österreich relativ selten vor …

„Bei Kindern, die in Pflegefamilien untergebracht werden, verhält es sich anders. In überwiegenden Fällen werden diese von den Eltern nicht freiwillig weggegeben, sondern es basiert auf einer Maßnahme der Jugendwohlfahrt, da das Wohlergehen des Kindes in der eigenen Familie gefährdet wäre“, erklärt Frau Coufal.

Auf Herz und Nieren

Die Voraussetzung für eine Adoption (egal ob im Inland oder Ausland) ist immer die sogenannte Pflegestellenbewilligung – ohne diese geht gar nichts. Neben einer Reihe von erforderlichen Unterlagen und  Bewilligungen müssen sich Adoptivwerber auch einer umfassenden „Prüfung“ unterziehen. Leonie Coufal: „Potenzielle Adoptiveltern werden einer sorgfältigen Eignungsprüfung unterzogen und sie werden auch geschult. In diesem Rahmen gibt es Gespräche, Hausbesuche sowie Erhebungen der Ämter und Behörden. Außerdem muss ein Gesundheitszeugnis erbracht werden, und es wird die finanzielle Situation der Bewerber erfasst. Wir versuchen uns ein möglichst genaues Bild von Adoptivwerbern zu machen, bevor wir eine Bewilligung erteilen, und ganz wichtig ist uns auch, ob die Motivation stimmt.“ Darum rät die Sozialarbeiterin der MA 11 allen Adoptivwerbern: „Der unerfüllte Kinderwunsch und auch die damit verbundene Trauer müssen gut verarbeitet und abgeschlossen sein, denn das Adoptivkind soll auf keinen Fall als Ersatz für ein leibliches Kind gesehen werden. Adoptiv- und Pflegeelternwerber müssen auch bei sich selbst abchecken, ob sie risikofreudig und belastbar sind. Das sind ganz wichtige Eigenschaften, da alle Kinder, egal welchen Alters, eine belastete Vorgeschichte mitbringen, die in unterschiedlichen Lebensabschnitten zu Schwierigkeiten und Problemen führen kann.“

Pflegeaufsicht = Eltern auf Zeit?

Vor allem Pflegekinder haben oftmals eine schwierige Vorgeschichte und brauchen eine liebevolle und intakte Familie, um entstandene Traumata zu verarbeiten. Im Rahmen der Pflegeaufsicht gibt es im Vergleich zur Adoption vor allem rechtliche Unterschiede. Bei der Adoption eines Kindes gehen sämtliche Elternrechte auf die Adoptiveltern über, die Rechte der leiblichen Eltern erlöschen. Pflegeeltern hingegen bekommen das Recht der Pflege und Erziehung sowie auch die gesetzliche Vertretung in diesen Bereichen von der Jugendwohlfahrt quasi verliehen und können damit im Alltag sehr gut agieren. Außerdem haben Pflegekinder in der Regel Besuchskontakte zu den Herkunftseltern. Das ist bei der Adoption nicht immer so.

(12_2019_be:09_2021)

Foto: pixabay_jill_wellington