Flieg, Käfer,flieg!

Leonie liebt Schnecken. Sie sammelt sie, beobachtet sie dabei, wie sie ihre schleimige Spur über die Blätter ziehen, und wenn Mama nicht herschaut, setzt sie sich die Tiere auf die Hand und sieht dabei zu, wie sie ihre Fühler aus und einziehen und sich bewegen. Julian wiederum ist ganz verrückt nach Käfern aller Art. Mit dem Kescher fängt er sie ein, betrachtet sie und lässt sie wieder frei. Ob Schnecken, Käfer oder anderes Getier, ob Gräser, Blüten oder der Waldboden, die Natur bietet Kindern Abenteuer ohne Ende. Anno dazumal war es selbstverständlich, dass die Kleinen ihre Umgebung durchforsteten und erforschten. Heute kennen Kinder einen Wald oft nur noch aus dem Fernsehen. Und wissen nicht, wie frische Tannennadeln riechen, wie sie sich anfühlen, wie sie unter den Füßen kratzen.

Aber schon Heidi wurde ohne die Tannen hinter der Hütte ihres Großvaters, ohne die Almen und das Glühen der Berge im Sonnenlicht in der Stadt nicht glücklich. Ebenso wenig ist für unsere Kids ein Leben ohne Natur erfüllend.

Erleben mit allen Sinnen

Kein anderes Umfeld eröffnet wie eine Wiese, ein See, der Wald die Möglichkeit, seine Umgebung mit allen Sinnen zu erfahren. Das ganzheitliche Erleben bietet eine Fülle, wie sie Video, iPod, Playstation & Co. einfach nicht bieten können. Henriette Gschliesser, Leiterin der Waldspielgruppe Bregenz des Vereins Tagesbetreuung, weiß, warum: „Kinder lernen ganz anders als Erwachsene Sie müssen zuerst sehen, berühren und erleben, bevor sie Erklärungen aufnehmen können. Die Natur ist dafür der beste Lehrmeister und bietet eine Fülle an unterschiedlichen Sinnesreizen: modriges Holz riecht anders als frisch geschlagenes. Die Schritte im Laub sind hörbar.

Das Moos auf dem Waldboden ist weich.“ Mit „ihren“ 14 Kindern zwischen zweieinhalb und vier Jahren ist die Tagesmutter bei jedem Wetter draußen im Wald. Herkömmliches Spielzeug brauchen sie dabei keines. Gschliesser: „Ohne vorgefertigtes Spielzeug lernen die Kinder zu improvisieren, ihre Fantasie und Kreativität wird angeregt und so entstehen die besten Dinge.“ Dazu kommt, dass die Natur perfekt in Bewegung erforscht werden kann. Ein Spaziergang, eine kleine Wanderung sind herrliche Gelegenheiten, um aus Kids kleine Forscher zu machen. Ausrüstungsgegenstände dafür gibt es viele. Vom Entdecker-Rucksack über Kescher und Insektendosen bis zu Kinderlupen und Mikroskop reicht das Equipment für neugierige Kids. Dann sind nur noch wir Eltern gefragt, um mit dem Nachwuchs aus den vier Wänden hinaus in die Natur zu gehen.

Denn wo früher ein Tümpel oder eine Wiese in nächster Nähe waren, um Kindern die Kulisse für Abenteuer Spiele und Forscher-Expeditionen ohne Ende zu bieten, sind die Freiräume heute erschreckend gering geworden. Dies beschreibt Cornelie Kister auf ihrer Suche nach dem verlorenen Kinder-Paradies einer Astrid Lindgren oder eines Erich Kästner in ihrem Buch „Sehnsucht nach Bullerbü. Gebt euren Kindern die Kindheit zurück“ anschaulich.

Zu dem Mangel an Raum, in dem sich Kinder ungestört und gefahrlos bewegen können, kommt, dass Eltern den Wissenshunger ihrer Kinder in bestimmte Bahnen lenken wollen. So beschreibt Cornelie Kister: „Was haben es da die Lindgren-Kinder diesbezüglich doch gut: Man denke nur an den Ausflug, den Pippi mit der gesamten Schule von Tommy und Annika unternehmen darf. Ziel der Exkursion war ein Wald, der Ungeheuerwald genannt wurde. ‚Weil er so ungeheuer schön war.‘ Das pädagogische Programm für diesen Tag bestand darin, dass die Kinder nach Herzenslust den Wald erkunden dürfen, auf Felsen herumklettern, auf Bäume klettern, Borkenschiffchen schwimmen lassen und Ungeheuer spielen, während die Lehrerin im Gras liegt, in einem Buch liest und hin und wieder einen Blick auf die Kinder wirft.

Das wäre uns für einen heutigen Schulausflug sicherlich zu wenig, obwohl die Kinder einen wundervollen und erfahrungsreichen Tag in jedem Ungeheuerwald verleben.“ Natur pur ist also oft mehr als genug für Kids, lassen wir ihnen die Freiheit, sie auf ihre Weise zu erforschen.

Ideen und Anregungen liefern wir Eltern (und fratz&co) gerne, aber was die Kids daraus machen, ist eine andere Sache.

Fotos: Hersteller beigestellt, papillondream/Shutterstock.com, MNStudio/Shutterstock.com, Dorling Kindersley Verlag

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