Zweitbesitz als erste Alternative?

Österreichs Gebrauchtwagenmarkt ist rund doppelt so groß wie jener der Neuwagen: Annähernd 600.000 gebrauchten stehen 300.000 neue Karossen gegenüber. Jeder halbwegs vernunftbegabte Käufer – und damit oft auch Familienvater beziehungsweise Herrscherin des häuslichen Matriarchats – sagt sich schließlich: „So schlecht waren unsere Autos vor drei, vier Jahren auch nicht. Vier Räder haben sie alle, Benzin schlucken sie leider auch, wozu also den exorbitant hohen Wertverlust des neuen Blechs mitfinanzieren?“ Stimmt zweifellos, betrachtet man nur die finanzielle Seite des Autokaufs. Dass unsere Vehikel von Jahr zu Jahr besser, ausgereifter, ja sogar ein bisserl sparsamer, auf alle Fälle sicherer werden, ist aber – glücklicherweise – nicht nur Marketingaussage der Werbestrategen. Über die ersten beiden Punkte lässt sich vielleicht streiten: Wer braucht schon die neueste Generation des Motorenmanagements wirklich? Nur: Die bewirkt halt, dass das Auto mit weniger Sprit sein Auslangen findet. Und über den letzten Punkt, die Sicherheit, darf man als verantwortungsbewusster Elternteil wohl keineswegs bedenkenlos „drüberfahren“.

Hier der erste FRATZ & CO-Tipp für den Gebrauchtwagenkauf in der Familienklasse: Vergleichen Sie die Sicherheits-einrichtungen des neuen Alten mit einem teureren Neuen. Vielleicht brauchen Sie Isofix (im Neuen jetzt wahrscheinlich serienmäßig) ja sowieso nicht mehr, weil die Zwergenmannschaft gewachsen ist und mittlerweile mit Spezialgurten (die man auch im Gebrauchten anbringen kann) auskommt. Aber Seiten-Airbags in der zweiten Reihe sind im Fall des Falles vielleicht entscheidend – und die gab’s vor ein paar Jahren praktisch nur in der Luxusklasse.

Ob die Garantie für den Gebrauchten noch gilt – manche Hersteller bieten ja schon Fünf-Jahres-Fristen –, sollte da nicht so entscheidend sein. Denn Garantien dienen ja in erster Linie dazu, die Kundschaft zum vorgeschriebenen Service-Intervall in die Vertragswerkstatt zu bugsieren. Da lohnt eher der Ankaufstest bei einem der beiden Automobilklubs ARBÖ oder ÖAMTC, ob die Technik noch hält, was der Prospekt vor vier Jahren versprochen hat. (Siehe auch den „Selbst-Check für schlaue Käufer“ auf Seite 44.)

Gewinne bei Sondermodellen

Als Ergänzung oder Alternative zum Gebrauchten kommt natürlich auch das preisgünstige Sondermodell eines aktuellen Typs in Frage. Um hier aber halbwegs souverän gegenüber der Händlerschaft argumentieren zu können, sollte man sich ein wenig mit der kaufmännischen Seite der Materie vertraut machen. Es schadet nicht, wenn autokaufende Eltern wissen, welche Typen gerade in Mode sind, welche Modelle knapp vor ihrer Ablöse stehen und deswegen vielleicht schon in den kommenden Monaten via Sonderangebot verschleudert werden. Eine Quelle von vielen, die solch einen umfassenden Überblick über aktuelle Sondermodelle, deren Preise und die Preisersparnis gegenüber der Normalversion bieten, ist beispielsweise www.gewinn.com/auto mit der Rubrik Sondermodelle. Nebenprodukt dieser Recherche: Plötzlich dämmert es, dass auch Neuwagen (nicht nur dank nervenaufreibenden Rabatt-Feilschens) manchmal erheblich billiger im Schaufenster des Händlers als im Hochglanz-Prospekt des Importeurs stehen. Vielleicht ergibt sich hier also eine Alternative zum Gebrauchten. Bleiben wir aber vorerst noch auf dem Gebrauchtwagenplatz. Geht man mit professionellen Händlern auf Verhandlungs- Tuchfühlung, schadet wohl eine erste Marktsondierung nicht. Ein weiterer FRATZ & CO-Tipp: CyBasar, Österreichs erste markenübergreifende Online- Fahrzeugbörse, führt regelmäßig Stichproben unter 150.000 Fahrzeugsuchvorgängen auf der hauseigenen Homepage durch. Die Ergebnisse beleuchten eindrucksvoll, bei welchen Gebrauchtwagen- Modellen gerade große Nachfrage von Kundenseite herrscht – und damit wohl die Chance dramatisch sinkt, ein preisgünstiges Schnäppchen zu ergattern. Andererseits offenbaren diese Zahlen selbstverständlich auch die andere Seite der Medaille: Ladenhüter, die vielleicht gerade den privaten Familiengeschmack punktgenau treffen und deswegen die ideale Kombination von Preis und Technik ergeben könnten. Abgesehen davon: Gebrauchtwagen werden – erstaunlicherweise – billiger. So gaben die Österreicher zu Jahresende 2007 rund 300 Euro weniger für den Durchschnittsgebrauchtwagen in der 15.000-Euro-Kategorie aus als noch zwölf Monate davor. Was sicher damit zusammenhängt, dass sich die Stehzeiten von Gebrauchtwagen im österreichischen Kfz-Handel mit durchschnittlich 139 Tagen je Fahrzeug auf dem höchsten Stand seit Anfang 1995 befinden. Eine Umfrage von EurotaxGlass hat diesen Trend für praktisch alle Marken in Österreich ergeben.

Welche Gebrauchten wir wollen

Trotzdem: Der unangefochtene Favorit der Österreicher unter den „Gebrauchten“ ist ein rund sechsjähriger, schwarzer Diesel-Kombi mit durchschnittlich 2100 ccm Hubraum und 132 PS sowie einem Kilometerstand von 90.500. Dabei ist es relativ egal, ob ein Händler oder ein Privater das Wunschfahrzeug anbieten – das interessiert nur zwei Prozent der Gebrauchtwagenkäufer. Auch wo man das gute Stück nach den abgeschlossenen Verkaufsgesprächen abholen muss, ist nicht kaufentscheidend. Fazit: Wer auf dem Gebrauchtwagenmarkt reüssieren will, muss in alle Richtungen hin flexibel sein. Demgegenüber ist die Markentreue ausschlaggebend: 84 Prozent der Gebrauchtwagenkäufer suchen laut CyBasar eine bestimmte Marke: an der Spitze VW mit 13,41 Prozent vor Audi (9,6), BMW (8,35), Mercedes, Opel, Peugeot und Toyota. Außerdem wird die Farbe Schwarz immer beliebter. Nahezu drei Viertel suchen danach, womit Schwarz uneinholbar in Führung liegt. Nur jeder elfte Autosuchende hält nach einem silbernen Fahrzeug Ausschau; trotzdem liegt Silber mit Respektabstand auf Platz zwei vor Blau und Rot. Wer also diese Trends nicht unbedingt als Evangelium erachtet, könnte vergleichbare Autos – nur eben von anderen Herstellern oder in anderen Farben – weitaus günstiger erstehen.

Oder: nur ein bisschen alt

Zurück zur Alternative preiswerte Neue. Denn in diesem Segment kommt der – bereits erwähnte – Generationswechsel bei denAutomodellen noch dazu. Auch heuer stehen wieder zahlreiche Modelle vor der Ablöse. Und wenn der Importeur oder Händler sein Verkaufsziel vielleicht doch ein wenig zu optimistisch angesetzt hat, steht er jetzt vor einem vollen Parkplatz. Bei diesen Typen lohnt sich dann auch vielleicht das Nachfragen nach einer etwas voluminöseren Preisreduktion denn der Zugabe von Fußmatten oder ähnlichen Sinnlosigkeiten.

Zum Beispiel:
• Chrysler lässt den „kleinen“ Voyager auslaufen (es gibt dann nur mehr die Version „Grand“) und ersetzt ihn durch das Modell Journey der hauseigenen Marke Dodge .
• Citroën bereitet für den Frühling die Mittelklasse-Ablöse im C5-Segment vor, danach kommt dann auch der neue C5- Kombi; ebenfalls rundum erneuert wird der preisgünstige Berlingo.
• Hyundai stellt in den kommenden Monaten praktisch die gesamte Modellpalette auf die neue i-Generation um.
• Opel lässt die Familienvans Agila und Zafira neu beziehungsweise facegeliftet auffahren.
• Peugeot lässt im Sommer den 308 SW auf den 307 SW folgen; außerdem kommt ein neuer Partner.
• Renault kehrt mit dem neuen Kangoo ein wenig zu alten und legendären R4- Zeiten zurück – nur halt viel praktischer, besser und größer.
• Bei Skoda ist gerade der alte vom neuen Fabia (auch Combi) abgelöst worden; der große – aber preisgünstige – Superb folgt im Laufe des Jahres.

Wer will, kann also 2008 beim Autokauf durchaus aus dem Vollen schöpfen – egal, ob preisgünstig neu oder noch billiger gebraucht. Was Sie allerdings vor dem Hintergrund all dieser Zahlen und Trends auch beachten sollten: Die zahlreich auf den Händlerplätzen stehenden Gebrauchten, die auf einen Wiederverkauf warten, drücken auch jenen Preis, mit dem Sie Ihr gutes (noch fahrbares, aber jetzt endlich ausrangiertes) Stück auf den Markt bringen wollen. An Autos verdienen wir Familien halt leider nur in den wenigsten Fällen …

Der Selbst-Check für schlaue Käufer

Die wichtigsten Tipps, wie Sie nach dem Gebrauchtwagenkauf keine bösen Überraschungen erleben

Vorab auf Erkundungsmission: Erfragen Sie Kilometerstand, Unfallfreiheit, Anzahl der Vorbesitzer, etwaige besondere Beanspruchung des Fahrzeuges; kontrollieren Sie den Typenschein. Stellen Sie aber auch von vornherein klipp und klar gegenüber dem Händler fest, dass Sie beispielsweise weder ein Miet- oder Unfall- noch ein Raucherfahrzeug kaufen wollen.

Verlangen Sie Offenheit in allen Belangen: Kontrollieren Sie im Typenschein die Anzahl der Vorbesitzer, die Leistungsangabe (danach richten sich die motorbezogene Versicherungssteuer und Haftpflichtversicherungsprämie), vergleichen Sie Motor- und Fahrgestellnummer mit den Nummern am Fahrzeug. Außerdem müssen im Typenschein eventuelle Veränderungen vom Originalzustand eingetragen sein (Breitreifen, Sonnendach, Anhängerkupplung etc.). Ein vorhandenes Wartungsheft lässt zudem auf einen guten Pflegezustand schließen. Und gleichzeitig können Sie anhand der Kilometereintragungen im Wartungsheft ermessen, ob der Kilometerstand am Tacho plausibel ist.

Fallen Sie nicht auf das Pickerl rein: Bei der Pickerlüberprüfung wird vorwiegend auf Verkehrssicherheit und Umweltverträglichkeit geachtet – das heißt aber nicht, dass auch Kupplung, Getriebe oder Motor in Ordnung sein müssen. Außerdem wird es leider in manchen Fällen leichtfertig vergeben. Das Pickerl ist also kein Garantiezertifikat. Wichtig ist auch das letzte Prüfgutachten; es muss bei der behördlichen Anmeldung vorgelegt werden.

Lassen Sie Experten für sich arbeiten: unbedingt vor dem Kauf eine Kaufüberprüfung bei ARBÖ oder ÖAMTC durchführen lassen. Laut Aufzeichnungen des ÖAMTC wird jedes überprüfte Fahrzeug dadurch für den Käufer um durchschnittlich 500 Euro billiger!

Und vertrauen Sie nur Schriftlichem: Vermerken Sie eventuelle mündliche Zusagen des Verkäufers über noch auszuführende Reparaturen oder sonstige Leistungen im Kaufvertrag. Das Bundesministerium für Justiz hat außerdem gemeinsam mit dem Fahrzeughandel und den Autofahrerklubs einen Musterkaufvertrag herausgegeben, der in der ÖNORM V5080 verankert ist. Sollte Ihnen ein Händler einen Kaufvertrag anbieten, auf dem ein entsprechender Hinweis fehlt, ist Vorsicht angebracht. Bei Käufen von Privatpersonen empfiehlt sich beispielsweise der von den ÖAMTCJuristen erstellte ,,Kaufvertrag für Kraftfahrzeuge zwischen Privatpersonen”.

Dr. Christian Jörg

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