Kindesmissbrauch

Missbrauch an Kindern

Kinder lernen im Laufe ihrer Entwicklung die Welt kennen. Sie beobachten, fragen, probieren, “begreifen” mit unerschöpflicher Energie und Fantasie. Um leben und wachsen zu können, brauchen sie Liebe, Geborgenheit, Zärtlichkeit, Hilfe, Schutz und Sicherheit ihrer Bezugspersonen.
Missbraucht ein Erwachsener ein Kind sexuell, so benutzt er die Liebe, Abhängigkeit oder das Vertrauen für die Durchsetzung seiner sexuellen Bedürfnisse. Er gefährdet die Lebens- und Entwicklungsgrundlage und schädigt die Seele des Kindes. Auch kleine Kinder sind schon betroffen.

Mädchen und Buben werden gezwungen, lüsterne Blicke und Redensarten zu ertragen, Zungenküsse zu geben, sich nackt zu zeigen, sich berühren zu lassen, den Missbraucher nackt zu sehen und ihn anzufassen, Pornographie anzusehen, den Erwachsenen mit der Hand oder dem Mund zu befriedigen.

Sie werden vergewaltigt, anal, oral oder vaginal, mit Fingern, Gegenständen oder dem Penis. Dies sind nur einige schreckliche Beispiele. Der überwiegende Teil der Täter sind Männer. Nicht selten sind es aber auch Frauen. Meist handelt es sich um Personen, die das Kind kennt, denen es vertraut: aus dem Bekannten und Freundeskreis oder ein Lehrer, der Babysitter usw. Ein weiterer Teil der Täter kommt aus der Familie.

Täterprofil

In der Realität ist das Risiko höher, im Verwandten- und Freundeskreis sexuell ausgebeutet zu werden, als von Fremden.
Max Friedrich in seinem Buch “Tatort Kinderseele”: “Es gibt keine äußeren Merkmale, die Missbrauchstäter von anderen Männern unterscheiden. Sie sind ,unauffällige’, ganz normale Männer, die ein Leben wie jedermann führen, und keineswegs Sonderlinge, Monstren oder Psychopathen.” Man kann deshalb niemanden von vorneherein als Täter ausschließen.

Der Täter handelt in den seltensten Fällen spontan. Vielmehr plant und organisiert er ganz bewusst Gelegenheiten, um sich Mädchen und Buben zu nähern. Der sexuelle Missbrauch kann über lange Zeit andauern, besonders, wenn er in der Familie stattfindet. Meist steigert sich der Grad der Gewalttätigkeit und der sexuellen Übergriffe.

Die Verantwortung liegt immer beim Erwachsenen

Mag. Sabine Standenat, klinische und Gesundheitspsychologin, dazu: Egal, welche Ausreden Täter auch immer finden, sie sind voll verantwortlich für ihr Tun. Kinder tragen niemals die Verantwortung für einen sexuellen Übergriff. Oft wird behauptet, Mädchen “verführten” oder “provozierten” den Täter. Das ist falsch. Manchmal machen kleine Mädchen Rollenspiele: Dies ist keine Aufforderung zur Sexualität. Der Erwachsene muss die Grenzen ziehen, er kann abschätzen, was ein Kind nicht absehen und verantworten kann.”
Mädchen und Buben fantasieren oder erlügen auch keine sexuellen Übergriffe. Kinder haben Fantasien über Zauberer, Hexen und Gespenster, aber einen sexuellen Missbrauch erfinden sie nicht. Eher leugnen Kinder einen Missbrauch, um eine geliebte Person zu schützen, als dass sie ihn erfinden.

Sie sind jetzt, nachdem Sie diese Zeilen gelesen haben, möglicherweise betroffen, wütend, ängstlich, verunsichert. Vor allem die Väter fragen sich vielleicht: “Darf ich jetzt mein Kind nicht mehr baden, knuddeln oder es bei mir im Bett kuscheln lassen?” Doch, Sie dürfen, denn Zärtlichkeit ist lebensnotwendig und macht Eltern wie Kindern Freude.

Aber achten Sie genau auf die Reaktion Ihrer Tochter oder Ihres Sohnes: Gefällt ihr/ ihm die Zärtlichkeit wirklich? Wendet er sich ab, macht ein abweisendes Gesicht? Das heißt dann STOPP!

Wann beginnt Missbrauch?

Der Erwachsene und das Kind spüren den Unterschied zwischen Zärtlichkeit und sexuellem Missbrauch sehr wohl. Sexueller Missbrauch beginnt dort, wo der Erwachsene Zärtlichkeit zur Anregung oder Befriedigung seiner sexuellen Wünsche benützt. Er beginnt, wo Geheimhaltung eingefordert wird und das Kind sich nicht mehr wohl und geborgen, sondern bedrängt und benutzt fühlt.
Bei der sexuellen Ausbeutung erklären die Täter fast immer den Missbrauch zum kleinen Geheimnis. Da lockt der Papa die 5-jährige Nicole mit einem “Zaubertrick” und droht: “Wenn du darüber sprichst, kommst du ins Heim, wird Mutter krank, habe ich dich nicht mehr lieb”. Auf Grund ihrer Abhängigkeit wagen die Kinder oft nicht, das Geheimnis zu brechen und schweigen, viele über Jahre!

Anzeichen für Missbrauch

Immer wieder wird gefragt, ob es nicht ein spezielles Symptom, eine bestimmte Veränderung gibt, die anzeigt, dass ein Kind missbraucht wird (wurde). Max Friedrich gibt darauf in seinem Buch eine klare Antwort: Nein! Man kann einem Kind den Missbrauch nicht ansehen. Es gibt nur die Tatsache, dass sich im Verhalten etwas verändert hat.
Die Folgen sexueller Gewalt können sehr unterschiedlich sein:
Körperliche Verletzungen, wie Verletzungen im Genitalbereich, aber auch psychosomatische Folgen, wie sie zuvor beschrieben wurden. Die Konsequenzen für das Erwachsenenalter sind oft ganz massiv. So haben Studien gezeigt, dass etwa 80 % der Drogen- und Alkoholsüchtigen Missbrauchsopfer sind!
Wenn Kinder über das ihnen Angetanene nicht sprechen können, dann senden sie nonverbale Signale und Botschaften aus. Man kann eine Gesamtverhaltensveränderung, ein seelisches Ungleichgewicht beobachten. Das kann aber auch von Schulschwierigkeiten oder einer Scheidung etc. herrühren.

Veränderungen, die beim Kind auf Missbrauch hindeuten können:
• Schlaf- und Essstörungen
• Schulleistungsstörungen
• Waschzwang
• Angst und Rückzug
• Flucht in eine Fantasiewelt
• Stimmungswechsel
• übertriebene Heiterkeit
• Gereiztheit oder Depression
• versteckte oder offene sexuelle Äußerungen
• Krankheiten
• Weglaufen

Alle diese Symptome können, müssen aber nicht auf einen Missbrauch hindeuten!

Was tun bei Verdacht?

Oberstes Gebot: Bewahren Sie Ruhe und handeln Sie nicht übereilt!
Stärken Sie die Vertrauensbeziehung zu Ihrem Kind! Beobachten Sie es und geben Sie ihm zu verstehen, dass es, wenn es ein Problem hat, zu Ihnen kommen kann.

Nehmen Sie auf alle Fälle professionelle Hilfe in Anspruch.

Strafanzeige – ja oder nein

Kindesmissbrauch ist strafbar. Wird ein Fall von sexuellem Missbrauch bekannt, dann stellt sich die Frage, ob der Täter anzeigt werden soll. In vielen Fällen wird jedoch dabei die emotionale Situation des Kindes übersehen.
Denn die Wut Dritter ist meist nicht die des Opfers. So ist im Einzelfall ganz genau zu überlegen, ob eine Anzeige im Interesse des Kindes ist.

Auch sollte sie niemals ohne Vorbereitung des Opfers gemacht werden, zumal keine Anzeigepflicht besteht. Wenn aber Polizei und oder Staatsanwalt von einem vorliegenden Tatverdacht Kenntnis haben, dann ist ein Verfahren meist nicht mehr aufzuhalten.

Man sollte bedenken: Für das Opfer kann ein Freispruch oder eine Einstellung des Verfahrens schlimmer als eine nichterstattete Anzeige sein.

Wie kann ich mein Kind schützen?

Gefühle erkennen und einschätzen
Bringen Sie Ihrem Kind die Unterscheidung in gute und schlechte Gefühle näher. Komische Gefühle sind solche, die einen ganz durcheinander machen und wo es gut ist, wenn man mit jemandem darüber spricht.

Mein Körper gehört mir
Verdeutlichen Sie Ihrem Kind immer wieder seinen Anspruch auf persönliche Integrität, dass sein Körper unantastbar ist und dass niemand ein Recht hat, seine Gefühle zu ködern, zu benutzen oder zu missbrauchen.

Hilfe holen
Bestärken sie Ihr Kind, sich Hilfe zu holen, wenn es Probleme hat.

Nein sagen
Das ist ein ganz zentraler Aspekt in der Prävention! Lernen Sie dem Kind “Nein” zu sagen zu Berührungen, die es nicht mag, in Situationen, in denen es sich nicht wohl fühlt. Stärken Sie dadurch den Selbstwert Ihres Kindes. Es gibt dazu sehr gute Kinderbücher, die Sie heranziehen können.
Geheimnisse
Wie bereits erwähnt, ist sexueller Missbrauch immer mit Geheimhaltung gekoppelt. Bringen Sie Ihrem Kind den Unterschied zwischen “guten und schlechten Geheimnissen” näher. Gute Geheimnisse wie z.B. eine Geburtstagsüberraschung machen Freude. Schlechte Geheimnisse bedrücken und machen Kummer. Sie sind keine richtigen Geheimnisse, denn man darf sie erzählen. Durch Beispiele kann Ihr Kind die Unterscheidung lernen.

Sexualerziehung
Klären Sie Ihr Kind kindgerecht auf. Wichtig ist auch, dass es seine Geschlechtsorgane und körperliche Vorgänge benennen kann, um nicht sprachlos zu sein.

Selbstbewusstsein stärken
Durch Erziehung können Sie ganz wesentlich vorbeugen. Je selbstbewusster es ist und je mehr es sich wirklich geliebt und bestärkt fühlt, desto weniger besteht die Gefahr, dass es Opfer sexueller Übergriffe wird.

Foto: Shutterstock.com Suzanne Tucker

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